Keine Überstunden mehr? Das steckt hinter dem Arbeits-Trend "Quiet Quitting"

Schluss mit Ausbeutung und Überstunden: "Quiet Quitting" lautet nun das Motto. Warum viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch das Nötigste für ihr Unternehmen tun und was das für Folgen hat, hier.

Ein zu hohes Arbeitspensum, Überstunden und geringe Wertschätzung: Das wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich nicht mehr gefallen lassen. "Quiet Quitting" heißt dieser Trend, der seit 2022 durch die sozialen Medien wandert. Viele Menschen, allen voran Gen Z, scheinen nur noch das Nötigste für ihr Unternehmen tun zu wollen und fordern mehr Fairness im Job. Wir verraten, was hinter dem Phänomen "Quiet Quitting" steckt und warum es den Arbeitsmarkt sogar revolutionieren kann.

Im Video erfährst du mehr über Quiet Quitting:

Was bedeutet Quiet Quitting?

Quiet Quitting bedeutet wörtlich übersetzt "stilles Verlassen". Es handelt sich um eine Arbeitsstrategie, bei der sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewusst zurückziehen und nur noch die Aufgaben erledigen, die in ihrem Vertrag festgehalten sind. die berühmte "Extrameile "gehen sie nicht mehr, es wird nur noch Dienst nach Vorschrift erledigt. Sie wollen ihre Freizeit nicht mit Kolleginnen und Kollegen verbringen, keine Überstunden leisten oder sich bis zum Burnout abrackern. Im Vordergrund steht die persönliche Erfüllung.

Geprägt wurde der Begriff von TikToker zaidleppelin. Sein Video von Juli 2022 hat bereits 3,6 Millionen Aufrufe. Er definiert "Quiet Quitting" so:

Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr als nötig. Du erledigst zwar noch deine Pflichten, aber auch nicht mehr. Arbeit ist nicht dein Leben und dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.

Übrigens: Quiet Quitting findet nicht nur im Arbeitskontext statt, sondern beschreibt auch das Beziehungsphänomen, bei dem der Partner oder die Partnerin sich in der Partnerschaft langsam distanziert, anstatt einfach Schluss zu machen. Es ist auch unter dem Namen "Quiet Dumping" bekannt.

Quiet Quitting vs. "stille Kündigung"

Oft wird "stille Kündigung" als Synonym für Quiet Quitting verwendet, allerdings sind die Begriffe nicht gleichzusetzen. Quiet Quitter hassen ihren Job nicht und wollen nicht zwingend kündigen – aber sie können sich auch nicht mit ihrer Arbeit identifizieren. Das belegen auch Zahlen des Gallup Engagement Index aus dem Jahr 2022: Die emotionale Bindung zum Arbeitgeber befindet sich in Deutschland auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Knapp ein Fünftel ist nicht emotional an den eigenen Arbeitsplatz gebunden. 

Bei einer stillen Kündigung dagegen hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich bereits gedanklich vom Unternehmen verabschiedet und nur deshalb noch nicht gekündigt, weil es keine guten Alternativen gibt. Hier kann der Arbeitgeber sogar aktiv geschädigt werden, zum Beispiel durch das Nichterledigen von Aufgaben oder das Sabotieren von Arbeitsabläufen.

Welche Ursachen stecken hinter Quiet Quitting?

  • Unzufriedenheit mit der Arbeit: Eine der Hauptursachen für Quiet Quitting ist die Unzufriedenheit im Job. Mitarbeitende, die mit ihrer Rolle, ihren Aufgaben oder ihrer Arbeitsumgebung unzufrieden sind, können ihre Motivation verlieren und die Entscheidung treffen, sich emotional von ihrem Job zurückzuziehen.
  • Schlechtes Management: Fehlende Führung oder schlechte Kommunikation seitens der Vorgesetzten führen oft dazu, dass Mitarbeitende frustriert sind und aufhören, sich aktiv einzubringen. Der Gallup Engagement Index zeigt, dass nur ein Viertel von Deutschlands Arbeitnehmenden mit ihrer Führungskraft komplett zufrieden sind.
  • Überarbeitung:Hohe Arbeitslasten, Überstunden und Stress können auf Dauer zu Burnout führen. Laut dem Statistischen Bundesamt haben im Jahr 2021 durchschnittlich 4,5 Millionen Menschen in Deutschland mehr gearbeitet, als sie laut Vertrag mussten. Bei insgesamt 37,8 Millionen Arbeitnehmenden entspricht das einem Anteil von 12 %. Zwar ist die Anzahl der geleisteten Überstunden in den vergangenen zehn Jahren tendenziell gesunken, doch über 50 % bleiben weiterhin unbezahlt, so die Zahlen aus 2022. Und: Laut dem Gallup Engagement Index ist das Burnout-Risiko von 2018 bis 2021 um 12 % gewachsen. Um sich mental zu schützen, reduzieren Arbeitnehmende ihre Anstrengungen im Job.
  • Geringe Anerkennung und Wertschätzung: Mitarbeitende, die ihre Leistungen nicht anerkannt oder gewürdigt sehen, werden demotiviert und ziehen sich zurück. Quiet Quitting kann eine Reaktion auf das Gefühl sein, nicht geschätzt zu werden oder dass die eigene Arbeit keinen wirklichen Unterschied macht. Warum sollte man da noch Mehrarbeit leisten?
  • Schlechte Stimmung: Konflikte oder Spannungen, sei es zwischen Kolleginnen und Kollegen oder zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, beeinträchtigen die Moral. Das kann dazu führen, dass Mitarbeitende nicht mehr aktiv an der Arbeit teilnehmen möchten. Das Arbeitsengagement sinkt.

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Welche Nachteile hat Quiet Quittung für die Unternehmen…

Die Forderung nach einer gesunden Work-Life-Balance sowie nach mehr Fairness im Job ist absolut richtig und sollte von Unternehmen berücksichtigt werden. Leistet der Arbeitgeber nicht einmal das Bare Minimum, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten, ist Quiet Quitting die logische Konsequenz – allerdings mit Folgen. 

Wenn Angestellte nicht mehr engagiert sind, bringen sie keine Verbesserungsvorschläge ein, machen nicht auf potenzielle Probleme aufmerksam und tun Kolleginnen und Kollegen oder den Vorgesetzten keine Gefallen mehr. Eine verringerte Produktivität wirkt sich letztendlich auf die Geschäftsergebnisse aus. 

Außerdem kann Quiet Quitting die Mitarbeiterfluktuation erhöhen: Wenn Arbeitnehmende ihre Talente woanders besser entfalten können und die Situation am Arbeitsplatz nicht verbessert wird, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sie das Unternehmen verlassen. Das ist nicht nur teuer aufgrund der Kosten für die Neubesetzung von Stellen, sondern auch eine Herausforderung für die Arbeitsmoral und die Stabilität des Teams.

… und für die Arbeitnehmer?

Du kannst dich mit Quiet Quitting identifizieren? Leider kann der Trend auch für Arbeitnehmende Nachteile mit sich bringen. Im Endeffekt tust du nämlich nichts dafür, um deine Situation zu verbessern. Du arrangierst dich mit einem Job, der deinen Bedürfnissen nicht entspricht und verschwendest deine Energie. Dabei könntest du dein Leben viel lebenswerter gestalten – und zwar mit einem Job, der dich zufrieden macht.

Bekommt das Management die gesunkene Leistung zu spüren, können Konsequenzen folgen – das "Quiet Firing", also die "stille Entlassung". Bei diesem Gegentrend versuchen die Arbeitgeber, die Leistungsverweigerer durch gezielte Schikane zum Kündigen zu drängen. Die Situation auf der Arbeit verschlimmert sich dadurch umso mehr. Ein Teufelskreis.

Darum kann Quiet Quitting eine Chance sein

Das alles klingt erstmal nach einem gefährlichen Trend. Tatsächlich kann Quiet Quitting aber genau das sein, was den Arbeitsmarkt umkrempelt. Unternehmen brauchen schließlich motivierte Mitarbeitende, um erfolgreich zu sein. Das bedeutet, Unternehmen müssen sich aktiv dafür einsetzen, die Arbeitsbedingungen angenehmer zu gestalten – vor allem angesichts des Fachkräftemangels. Das können bessere Entwicklungsmöglichkeiten sein, mehr Wertschätzung, Maßnahmen zur Stressreduktion oder die Stärkung des Teamzusammenhalts.   

Das alles hat auch einen positiven Effekt für den Arbeitgeber: Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ausgeglichener, können sich besser auf die Arbeit konzentrieren und somit bessere Ergebnisse erzielen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die verbesserte psychische Gesundheit durch eine ausgewogene Work-Life-Balance. Es kommt zu weniger Ausfällen aufgrund von Burnout oder stressbedingten Erkrankungen – eine Win-win-Situation.

Um wirklich eine Veränderung herbeizuführen, müssen beide Seiten handeln. Wenn du unzufrieden im Job bist, solltest du das Gespräch mit deinem oder deiner Vorgesetzten suchen – oder im Zweifel eine Grenze ziehen und dir einen besseren Job suchen. Unternehmen müssen die Arbeitszufriedenheit erhöhen und auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen – sonst wird "Quiet Quitting" wirklich zur Regel statt zur Ausnahme.

Verwendete Quellen: gallup.com, statista.com, destatis.de, tiktok.de