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Ericka Hart über Brustkrebs und Sexualität: "Kink hat mir geholfen, meinen Körper zurückzuerobern"

Sex und Brustkrebs gehören nicht zusammen? Oh doch. Sexualpädagogin und Brustkrebsüberlebende Ericka Hart kämpft für einen offenen Dialog über die Auswirkungen der Erkrankung auf das sexuelle Wohlbefinden.

Brustkrebs und Sexualität – zwei Themen, die nur selten miteinander in Verbindung gebracht werden. Doch eine Brustkrebserkrankung verändert das gesamte Leben, auch das sexuelle Wohlbefinden. Das hat Ericka Hart am eigenen Leib erfahren müssen. Die 37-jährige Sexualpädagogin und Mutter eines acht Monate alten Kindes erkrankte 2014 an beidseitigem Brustkrebs. Sie musste sich einer Chemotherapie sowie einer doppelten Mastektomie unterziehen, also der vollständigen Entfernung der Brustdrüsen. Dass die Behandlung auch Einfluss auf ihre Sexualität nehmen würde, war ihr zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. 

Im Video: So tastet man sich die Brust ab

Sexuelle Probleme nach einer Brustkrebs-Erkrankung

"Kein Arzt sprach mit mir über sexuelle Gesundheit und Wohlbefinden. Als ich also Scheidentrockenheit und eine verminderte Libido erlebte, hatte ich keine Ahnung, dass dies mit der Chemotherapie und der Diagnose zusammenhing", verrät Ericka uns. "Ich dachte nur, dass mit mir etwas nicht stimmt." 

Mit diesem Gedanken ist die gebürtige US-Amerikanerin wohl nicht allein. Weltweit ist Brustkrebs die am häufigsten auftretende Krebsart, gefolgt von Lungenkrebs und Darmkrebs. Allein in Deutschland erkranken etwa 70.000 Frauen jährlich. Rund 80 % der Betroffenen leiden nach Angaben der Berliner Charité unter sexuellen Problemen: Scheidentrockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Entfremdung vom eigenen Körper sind nur einige Beispiele.

Brustkrebs-Erkrankte sind mehr als nur ihre Krankheit

"Ich musste wirklich hart arbeiten, um die Freude für mich selbst zurückzuerobern", so Ericka. Im Rahmen des Brustkrebs-Monats Oktober setzt sie sich gemeinsam mit Womanizer, dem weltweit führenden Anbieter in der Sexual Wellness Branche, für einen offenen Dialog über Krebs und Sex in der Gesellschaft ein. 

Die 37-Jährige möchte zeigen, dass Lust ein wichtiger Aspekt einer ganzheitlichen Heilungsreise ist. Patient:innen und Überlebende sollen als komplettes Wesen mit eigener Identität gesehen werden – und nicht nur als ihre Krankheit. Als Teil der Kampagne verschenkt Womanizer im Oktober 2000 Womanizer Premium Eco's an Menschen, die an Brustkrebs erkrankt sind oder waren.

Der Weg zur Wiedererlangung des Vergnügens

Ericka selbst musste sich langsam wieder an ihre Sexualität herantasten und konnte sich ihrem Körper durch Masturbation wieder annähern. Ein wichtiges Mittel hierfür war Gleitgel, auch wenn sie sich zunächst davor gesträubt hat: 

Ich habe es als persönliche Beleidigung empfunden, dass ich Gleitgel benutzen musste, aber es ist wirklich ein Sexspielzeug, das jeder benutzen kann – besonders wenn man einen Körper hat, der nicht mehr wie früher sein eigenes Gleitmittel produziert.

Inwiefern die Verwendung von Sexspielzeug bei der Behandlung sexueller Funktionsstörungen nach einer Brustkrebs-Erkrankung hilft, untersucht eine laufendeStudie der Berliner Charité. Die vorläufigen Ergebnisse, die im Oktober 2022 auf der Europäischen Gesellschaft für Sexualmedizin vorgestellt wurden, sind jedenfalls vielversprechend und bestätigen auch Erickas Erfahrungen während ihrer Reise.

Für sie sei vor allem Kink "ein großartiger Weg" gewesen, ihren Körper zurückzuerobern. "Schmerzen unter meinen Bedingungen zu erleben, hat mir nicht nur das Gefühl gegeben, ein sexuelles Wesen zu sein, sondern auch ein befreites."  

Selbstbefriedigung als Therapie

Es muss aber nicht gleich ein bestimmter Kink sein, um die sexuelle Lust wiederzuentdecken. Betroffenen rät sie: 

Berühre deinen eigenen Körper mit allen Sinnen. Es muss nicht zu irgendwas führen, aber Berührungen sind ein wichtiger Teil des Vergnügens. Sinnliche Berührungen durch sich selbst oder den können helfen, sich wieder mit seinem Körper zu verbinden. Vielleicht fühlt sich Sex im Moment zu viel an, das ist völlig legitim. Ich empfehle dringend, sich durch Selbstbefriedigung wieder mit dem eigenen Körper vertraut zu machen.

Dass der Weg von einer Brustkrebs-Erkrankung hin zu einem normalen Leben ein steiniger ist, weiß Ericka nur zu gut. Sie rät Betroffenen, eine Psychotherapie anzufangen, wenn möglich. Mit therapeutischer Unterstützung und der Wiederentdeckung der eigenen Sexualität kann der ganzheitliche Heilungsprozess beschleunigt werden.

Verwendete Quellen: Womanizer, reuters.com, sexualmedizin.charite.de, eigenes Interview