Dir fällt es schwer, dich anderen zu öffnen, deine Beziehung halten nicht lange und ständig hast du Angst, deine Freiheit aufgeben zu müssen, wenn du in einer Partnerschaft bist? Dann kann es sein, dass du eine unsicher-vermeidende Bindung hast. Was die Ursachen dieses Bindungsstils sind, an welchen Anzeichen du ihn noch erkennst und wie er sich auf Wunsch auch überwinden lässt, liest du hier.
Inhaltsverzeichnis
- Das steckt hinter der Bindungstheorie
- Diese Bindungstypen gibt es
- Der unsicher-vermeidende Bindungstyp
- Was sind die Ursachen eines unsicher-vermeidenden Bindungsstils?
- Woran erkennt man eine unsicher-vermeidende Bindung?
- Wie äußert sich eine unsicher-vermeidende Bindung in einer Beziehung?
- Unsicher-vermeidende Bindung überwinden
Das steckt hinter der Bindungstheorie
Die Bindungstheorie geht auf ein Experiment der Psychologen John Bowlby und Mary Ainsworth zurück. Sie haben in ihrer Studie das Bindungsverhalten von Kindern zu ihren Müttern untersucht. Das Szenario: Ein Kind spielt in einem Raum in Anwesenheit seiner Mutter. Diese verlässt dann den Raum und kommt nach kurzer Zeit zurück. Die Forschenden haben beobachtet, wie sich das Kind beim Verlassen und beim Zurückkommen der Mutter verhalten hat und haben vor allem drei wesentliche Bindungstypen feststellen können. Diese Bindungstypen lassen sich auch in unseren Beziehungen im Erwachsenenalter wiederfinden. Der Gedanke dahinter: Wie wir uns heute in Beziehungen, Freundschaften und Co. verhalten, geht zu einem großen Teil auf unsere Bindungserfahrungen in der Kindheit zurück. So weit, so gut. Dann schauen wir uns die drei verschiedenen Bindungstypen doch einmal an.
Diese Bindungstypen gibt es
Im Groben wird zwischen dem sicheren und den zwei unsicheren Bindungstypen unterschieden. Während es dem sicheren Bindungstyp generell sehr einfach fällt, gesunde, stabile, langfristige Beziehungen zu führen, begegnen die beiden unsicheren Bindungstypen immer wieder gewissen Herausforderungen – vor allem in Partnerschaften. Betrachten wir zunächst den sicheren Bindungstyp.
- Sicherer Bindungstyp: Der sichere Bindungstyp hat in der Kindheit eine stabile Beziehung zu seinen Eltern und Bezugspersonen gehabt. Es wurde auf seine Bedürfnisse eingegangen, ihm wurden aber auch Freiheiten gewährt. Menschen mit einer sicheren Bindung konnten sich immer der Liebe und Zuneigung der Bezugspersonen sicher sein. So konnten sie einen stabilen Selbstwert entwickeln, können sich leicht anderen Personen öffnen und haben ein gesundes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz. Sie haben ein gewisses Urvertrauen und pflegen meist stabile Beziehungen zu anderen Menschen und zu sich selbst.
- Unsicher-ambivalenter (ängstlicher) Bindungstyp: Der unsicher-ambivalente oder ängstliche Bindungstyp hat in der Kindheit womöglich ein inkonsequentes, ambivalentes Verhalten der Bezugspersonen erfahren. Zuneigung in der einen Minute, Ablehnung in der anderen. Das hat in ihnen eine Verlustangst ausgelöst, die sie auch im Erwachsenenalter in Beziehungen erleben. Sie haben einen geringen Selbstwert und haben daher immer das Gefühl, sich die Liebe einer anderen Person verdienen zu müssen. Personen mit ängstlicher Bindung tendieren zu Eifersucht und emotionaler Abhängigkeit. Sie denken, dass sie ohne den anderen nichts sind.
- Unsicher-vermeidende Bindung: Und dann gibt es noch die unsicher-vermeidende Bindung. Sie ist ganz anders als die ängstliche Bindung und doch fällt auch Personen mit diesem Bindungsstil oft schwer, gesunde, stabile Beziehungen zu führen. Im Folgenden gehen wir ganz detailliert auf diesen Bindungstyp ein und erklären, was die Ursachen für den Bindungsstil sind und wie du erkennst, ob du unsicher-vermeidend bist.
Der unsicher-vermeidende Bindungstyp
Dem unsicher-vermeidenden Bindungstyp fällt es besonders schwer, tiefe Verbindungen und stabile, langfristige Beziehungen aufzubauen. Er neigt zur Selbstsabotage und tut sich schwer damit, Vertrauen aufzubauen. Tief dahinter steckt eine Angst vor Zurückweisung. Menschen mit einer vermeidenden Bindung streben nach Autonomie und Unabhängigkeit und fühlen sich durch Verbindlichkeiten schnell in ihrer Freiheit gefährdet. Sie sehnen sich zwar oft nach einem sicheren Hafen, doch der Drang nach Freiheit ist oft stärker. Sie entwickeln dadurch ein Vermeidungsverhalten und lassen echte Nähe nur selten zu. Also öffnen sie sich auch nicht vollkommen dem anderen gegenüber und bleiben oft ein Einzelgänger. Wahre, tiefe Verbindungen sind für sie eine echte Herausforderung.
Was sind die Ursachen eines unsicher-vermeidenden Bindungsstils?
So wie bei den anderen Bindungstypen auch, gehen Psychologen und Psychologinnen auch beim unsicher-vermeidenden Typ davon aus, dass die häufigste Ursache für den Bindungsstil die Eltern-Kind-Beziehung ist. So kann ein radikaler Liebesentzug verursacht haben, dass bei einem Kind der Eindruck entsteht: "Wenn ich vertraue, werde ich doch nur fallen gelassen. Am besten kann ich mich auf mich selbst verlassen. Ich brauche niemanden anders“. Kinder haben ihre Eltern eventuell als emotional abweisend oder unsensibel erlebt. In dem Experiment von Bowlby und Ainswoth zeigten die Kinder kaum Beunruhigung oder Traurigkeit, als die Mütter den Raum verließen. Bei der Rückkehr wendeten sie sich eher ab, als sich darüber zu freuen.
Aber auch eine traumatische Erfahrung in der Vergangenheit wie ein schlimmer Liebeskummer können das Vermeidungsverhalten und eventuell sogar eine Bindungsangst hervorgerufen haben. Die Personen haben sich als Reaktion auf den Schmerz vorgenommen, nie wieder so etwas zu erleben. Sie gehen mit der Einstellung durch die Welt, dass es ihnen besser geht, wenn sie alleine sind, da das Risiko sonst zu hoch ist, erneut verletzt zu werden.
Woran erkennt man eine unsicher-vermeidende Bindung?
Willst du herausfinden, ob du ein vermeidender Bindungstyp bist? Dann kannst du auf folgende acht Anzeichen achten:
- Du vermeidest emotionale Nähe.
- Gesteht dir jemand seine Liebe oder Zuneigung, fühlst du dich angespannt.
- Deine Freiheit und Unabhängigkeit steht für dich an erster Stelle.
- Du gehst eher unverbindliche Beziehungen ein oder hast häufig On-off-Beziehungen.
- Du gibst Beziehungen schnell auf und trennst dich, sobald es dir zu viel Verbindlichkeit wird.
- Herausforderungen in der Beziehung lassen dich schnell zweifeln.
- Du nimmst selten die Perspektive deines Gegenübers ein und hast wenig Empathie.
- Du fühlst dich oft unzufrieden und niedergeschlagen in Beziehungen.
Du willst Beispiele? Hier kommen drei Szenarien, die dir ein besseres Verständnis geben können, wie sich der vermeidende Bindungstyp präsentiert.
- Du datest eine Person nun schon seit mehreren Monaten, doch eure Beziehung ist eher oberflächlich. Du teilst nur wenig von deinen Gedanken und Emotionen und obwohl ihr euch so oft seht, scheint da immer noch eine Blockade zu sein, die dich daran hindert, Nähe aufzubauen. Du bist dir nicht sicher, ob du der anderen Person vertrauen kannst.
- Dein Partner oder deine Partnerin will den nächsten Schritt wagen und dich seinen oder ihren Eltern vorstellen. Dieser Gedanke löst in dir Unbehagen aus. Commitment fällt dir schwer und du fühlst dich in deiner Freiheit bedroht. Am liebsten würdest du der Situation irgendwie entkommen.
- Eure Beziehung stößt auf eine Herausforderung. Eigentlich ist es eine Situation, die sich mit etwas Investment gut lösen lässt, doch die Herausforderung fühlt sich für dich unüberwindbar an. Statt an einer Lösung zu arbeiten, nimmst du lieber den einfacheren Weg und flüchtest. Die Trennung ist für dich einfacher, statt dich tatsächlich mit deinen Emotionen auseinanderzusetzen.
Wie äußert sich eine unsicher-vermeidende Bindung in einer Beziehung?
Das unsicher-vermeidende Verhalten von Menschen mit diesem Bindungsstil kann vor allen in committeten Partnerschaften zur Herausforderung werden. Sie halten die Beziehung generell eher auf Distanz, sodass diese nicht die emotionale Tiefe erlangen kann, die sie eigentlich braucht, um auf Dauer zu halten. Kein Wunder also, dass Beziehungen von vermeidenden Personen oft nicht lange halten. Arbeiten sie nicht an sich, können sie nur schwer eine stabile, langfristige Bindung aufbauen. Doch mit welchen Bindungstypen passt ein vermeidender Bindungstyp am besten zusammen?
- Vermeidend und ängstlich: Vermeidend und ängstlich ist eine sehr gegenteilige Kombination, die nur sehr schwer überleben kann. Sie hat das größte Potenzial, sich zu einer toxischen Beziehung zu entwickeln. Während der ängstliche Typ dazu neigt, zu klammern und Verlustangst hat, strebt der vermeidende Typ nach Autonomie und fühlt sich schnell erdrückt.
- Vermeidend und vermeidend: Diese Kombination klingt zunächst vielleicht sinnvoll, denn beide haben dasselbe Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Doch sind zwei Personen mit vermeidendem Bindungsstil in einer Beziehung, ist es besonders schwer für die beiden, eine tiefe Verbindung aufzubauen. Die Beziehung bleibt womöglich sehr oberflächlich und hat wenig Verbindlichkeit.
- Vermeidend und sicher: Kommt ein vermeidender Typ mit einem sicheren Typ zusammen, hat er die wohl beste Chance auf eine gesunde und langlebige Beziehung. Der sichere Bindungstyp kann dem Vermeidenden Verständnis gegenüber bringen und ihm dabei helfen, sich in der Beziehung zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist aber, dass der unsicher-vermeidende Bindungstyp bereit ist, an sich und an der Partnerschaft zu arbeiten.
Bedenke: Nur weil du einen unsicher-vermeidenden Bindungsstil hast, heißt das auf keinen Fall, dass du beziehungsunfähig bist. Selbst eine Beziehung zwischen vermeidendem und ängstlichem Bindungstyp kann gelingen, wenn beide gelernt haben, offen und ehrlich ihre Bedürfnisse und Grenzen zu kommunizieren und dafür bereit sind, langfristig an sich und an der Beziehung zu arbeiten.
Unsicher-vermeidende Bindung überwinden
Du gute Nachricht: Der eigene Bindungsstil ist nicht in Stein gemeißelt. Denn bei dem Bindungsstil handelt es sich nicht um ein Persönlichkeitsmerkmal, sondern um ein Verhaltensmerkmal. Und unser Verhalten können wir auch ändern. Vorausgesetzt, wir sind bereit, dafür auch etwas zu investieren. Hast du dich also in den Erkennungsmerkmalen eines unsicher-vermeidenden Bindungstyps wiedererkannt und wünschst dir eine sichere Bindung, ist für dich nicht die Hoffnung verloren. Du kannst deine unsichere Bindung überwinden, wenn du dir eine sichere und gesunde Beziehung wünschst. Diese Tipps können dir dabei helfen:
- Willst du eine sichere Bindung erreichen, dann brauchst du dafür die beste Voraussetzung. Und dies ist eine glückliche Beziehung. Je zufriedener zu in deiner Beziehung bist, desto eher kannst du auch deine Bindungsangst loswerden.
- Hast du einen verständnisvollen Partner oder eine verständnisvolle Partnerin mit einer sicheren Bindung, der bzw. die Rücksicht auf dich nimmt und dir vorlebt, wie eine gesunde Beziehung aussehen kann, kann das eine große Hilfe sein.
- Heile dein inneres Kind, indem du negative Glaubenssätze wie „Ich werde sowieso wieder enttäuscht, deshalb will ich gar keine Beziehung“ aus deinem Kopf verbannst. Sprich dir deshalb besser positive Affirmationen zu und übe diese täglich, um sie zu verinnerlichen.
- Dein Wunsch nach Autonomie verhindert, dass du dich auf eine andere Person einlässt. Hältst du dein Gegenüber also auf Abstand, sabotierst du dich nur selbst. Bemerkst du diesen Instinkt, dann steuere aktiv dagegen, selbst wenn es schwer sein mag.
- Frag um Hilfe und Unterstützung, wenn du sie brauchst. Du fällst niemandem zur Last. Du musst nicht alles alleine schaffen.
- Gehe emotional belastenden Situationen nicht aus dem Weg, sondern sprich über deine Gefühle. Das stärkt nicht nur dich, sondern auch deine Beziehung.
- Arbeite an deiner Empathie, sei aufmerksam, versetze dich in deinen Partner oder deine Partnerin und spende Trost und Beistand. So schaffst du es, ein sicherer Hafen für deinen Partner oder deine Partnerin zu sein.
- Jede gesunde Beziehung fängt mit einer gesunden Beziehung zu dir selbst an. Deshalb arbeite an deinem Selbstwertgefühl, lerne Bedürfnisse zu artikulieren und Grenzen zu setzen.
- Rufe dir ins Bewusstsein: Eine gesunde Beziehung bedeutet nicht, dass du deine Selbstbestimmtheit und Freiheit aufgeben musst. Du bist nicht an Ketten gebunden, sondern an die Hand einer liebevollen Person. Ihr müsst nicht immer denselben Weg einschlagen. Jeder hat seinen eigenen Lebensweg, den man jedoch Seite an Seite geht.
- Fühlst du dich überfordert und weißt nicht so recht, was dir hilft, deine Bindungsangst zu überwinden? Dann kann ein Coaching oder eine Therapie sinnvoll sein. Willst du wirklich etwas ändern, dann können diese Methoden sehr hilfreich sein. Denk dran: Du musst nicht alles alleine schaffen und du kannst um Hilfe bitten.
Verwendete Quellen: chrisbloom.de, lautnachdenken.de
