Bindungsstil: Die vier Arten und ihre Auswirkungen auf deine Beziehungen

Bindungsstil: Die vier Arten und ihre Auswirkungen auf deine Beziehungen

Bindungsstile begleiten uns das ganze Leben lang. Hier erklären wir dir die vier verschiedenen Typen im Detail und welche Rolle sie für deine Beziehungen spielen.

Welchen Bindungsstil jemand hat, kann großen Einfluss auf die Art der Beziehung nehmen, die er oder sie zu anderen Personen führt. Gekennzeichnet ist der Bindungsstil nämlich durch die Form der Interaktion und des Verhaltens in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Wendet man die Bindungstheorie auf die Kindheit an, fokussieren sich diese Bindungsstile darauf, wie der Umgang zwischen Kindern und Eltern aussah. Bei Erwachsenen wird die Bindungstheorie angewendet, um die Bindungstypen in erwachsenen Beziehungen zu verstehen – dazu gehören Freundschaften, Affären, romantische Beziehungen oder platonische Beziehungen.

Das bis heute in der Psychologie verwendete Konzept der Bindungsstile entwickelte sich aus der Bindungsforschung, die in den 1960er und 1970er Jahren entstand. Aus dieser Bindungsforschung ging die Bindungstheorie hervor. Sie besagt, dass sich unser Bindungsverhalten in vier Hauptbindungsstile einteilen lässt. Wer sich seines eigenen Bindungsstils bewusst ist, dem fällt es oft leichter, gesunde und langfristige Partnerschaften einzugehen. In diesem Artikel erklären wir dir, woran du welche Bindungsstile erkennst und was sie über dich aussagen.

Bindungstheorie: Was ist ein Bindungsstil?

Die Erwartungen an eine Beziehung unterscheiden sich von Person zu Person. Wir alle setzen in den Beziehungen, die wir zu anderen Menschen eingehen, verschiedene Prioritäten, verfolgen andere Ziele und stellen andere Ansprüche an unser Gegenüber. Jeder Mensch geht mit seinen Emotionen individuell um und fühlt sich in jeweils anderen Rollen wohl. Eine Beziehung ist also eine sehr persönliche Sache – und doch lässt sich jede Beziehung laut Bindungstheorie in ein bestimmtes Muster einordnen: Es gibt vier verschiedene Bindungsstile. Dieser Bindungsstil (auch attachment style) ist stark davon abhängig, welche frühen sozialen bzw. frühkindlichen Erfahrungen wir gemacht haben und inwieweit wir von ihnen geprägt wurden. Er wirkt sich nicht nur auf unsere Beziehungen zu anderen Menschen aus, sondern ist ein maßgeblicher Bestandteil unserer Persönlichkeit und spielt somit in vielen Lebensbereichen eine Rolle.

Das besagt zumindest die Bindungstheorie, die Erkenntnisse aus Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung zusammenfasst und auf den englischen Kinderpsychiater John Bowlby zurückgeht. Diese Theorie geht zum Beispiel davon aus, dass wir natürliche Bindungstiere sind und dass Menschen ein angeborenes Bedürfnis haben, enge Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen und intensive Gefühle zu spüren. Jeder möchte von der Umwelt angenommen werden, hat den existenziellen Wunsch, sich verbunden zu fühlen und Teil von etwas zu sein. In Beziehungen lernen wir uns anders kennen, entwickeln uns weiter und erfahren, welche Art der Bindung wir eingehen möchten.

In der Bindungstheorie geht es also – wie so oft in psychologischen Fragen – in hohem Maße um die Kindheit. Demnach würden Kinder mit allen Mitteln versuchen, ihre Bindungsbedürfnisse von ihrer Mutter, ihrem Vater oder anderen Bezugspersonen erfüllt zu bekommen. Reagieren die Eltern bzw. die Bezugspersonen schnell und zuverlässig auf dieses Bedürfnis, entwickelt das Kind einen sicheren Bindungsstil. Andersherum kann auch das Überbehüten Auswirkungen auf den ängstlichen Bindungsstil haben, den das Kind später entwickelt. Ebenso sind Verluste von engen Personen für Kinder sehr prägend. Die vier Bindungsstile stellen wir dir im Folgenden genauer vor.

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Das sind die vier Bindungsstile

1. Unsicher-vermeidender Bindungsstil

Der unsicher-vermeidende Bindungsstil stellt eine Mischung aus ängstlichen und vermeidenden Stilen dar. Unsicher-vermeidend gebundene Menschen verhalten sich als Erwachsene in Beziehungen oft paradox. Zwar wünschen sie sich Beziehungen, bleiben innerlich allerdings stets auf Distanz und gehen emotional auf Abstand. Sie wirken aber in Bezug auf Bindung nicht direkt ängstlich: Zu Beginn der Beziehung geben Menschen mit diesem Bindungsstil das Bild einer sicheren, emotional reifen und verfügbaren Person ab. Im Laufe der Beziehung ändert sich dies jedoch, die Sicherheit kippt und ihr Interesse an der Beziehung scheint abzunehmen.

Der unsicher-vermeidende Bindungsstil scheut sich oft vor zu viel Nähe, denn er fürchtet sich davor, von der anderen Person vereinnahmt zu werden. Außerdem geht dieser Typ davon aus, die Beziehung sei ohnehin zum Scheitern verurteilt. Insgesamt ist das Vertrauen dieser Personen leicht zu erschüttern oder gar nicht erst vorhanden. Oft besteht ein grundlegendes Misstrauen und sie haben große Angst, enttäuscht zu werden. Das bedeutet, dass dieser Bindungsstil ein äußerst ambivalentes Verhältnis zu Nähe hat. Dies führt nicht selten zu Verwirrungen der Personen in ihrem Umfeld. Wenn sich der unsicher-vermeidende Bindungstyp verliebt, kann sich das sowohl euphorisch als auch erschreckend anfühlen. Es kommt zu Drama, Verstrickungen und einem großen hin und her mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin.

Der unsicher-vermeidende Bindungstyp möchte nicht bedrängt werden, sondern sehnt sich nach Freiheit, Raum, Autonomie und Selbstbestimmung. Bekommen sie dies von ihrem Gegenüber nicht, kommt es schnell zu Fluchtverhalten. Der Beziehungstyp setzt Intimität und Nähe oft mit dem Verlieren von Unabhängigkeit gleich - aus diesem Grund kommt es zu zweideutigen Signalen. Ca. 20 % der Menschen können dem unsicher-vermeidenden Bindungsstil zugeordnet werden.

2. Unsicher-ambivalenter Bindungsstil

Menschen mit unsicher-ambivalentem Bindungsstil brauchen hingegen als Erwachsene viel Bestätigung in Beziehungen. Immer wieder müssen sie von ihrem Partner oder ihrer Partnerin hören, dass sie geliebt werden. Ihr Grundvertrauen in die Beziehung ist schwach und sie zweifeln ständig an ihrer Stabilität. Daraus resultiert wiederum ein tiefer Wunsch nach konstanter Nähe. Sie treten zwar selbstsicher auf – hinter ihrem Selbstbewusstsein steht aber immer die Frage danach, ob sie gefallen und gemocht werden.

Der unsicher-ambivalente Bindungsstil gibt sich zuvorkommend, aufmerksam, freundlich und großzügig - tatsächlich liegen dieser Person die Bedürfnisse von anderen stärker am Herzen als ihre eigenen Wünsche. Außerdem tendieren sie dazu, sich über Kleinigkeiten den Kopf zu zerbrechen und analysieren ihre Beziehungen bis ins kleinste Detail: Wirklich sicher und angekommen fühlen sie sich selten. Daraus entsteht oft eine Eifersucht, die schwierig in den Griff zu bekommen ist. Sie möchten ihr Gegenüber kontrollieren, sind überaus wachsam und interpretieren viel in das Verhalten ihres Partners oder ihrer Partnerin hinein. Zurückweisung führt bei diesen Menschen dazu, dass sie sich noch mehr ins Zeug legen – sie sind fest davon überzeugt, dass sie sich Liebe verdienen müssen. Der Glaubenssatz "Ich bin nicht genug" kommt bei dem unsicher-ambivalenten Bindungsstil häufig vor. Insgesamt sollen etwa 20 Prozent der Bevölkerung zu diesem Bindungsverhalten neigen.

3. Sicherer Bindungsstil

Der sichere Bindungstyp ist in seinen Beziehungen gefestigt. Menschen mit diesem Bindungsstil sind mit sicheren Bindungserfahrungen groß geworden und hatten verlässliche Bezugspersonen um sich herum. Ihre Bedürfnisse wurden gesehen und erfüllt, sie erfuhren Liebe, Sicherheit und bedingungslose Geborgenheit. Besonders aber durften sie ihren Charakter eigenständig und ohne Angst entwickeln und ihnen wurde Raum gegeben, ihre Eigenheiten auszubilden. Dies führte dazu, dass diese Menschen ein gesundes Urvertrauen besitzen. Sie wissen, dass sie so, wie sie sind, akzeptiert werden dürfen und verstehen, dass Fehler machen in Ordnung ist. Das Ergebnis: Ein stabiles Selbstbewusstsein und ein gesundes Verhältnis zu ihren eigenen Bedürfnissen. Auf eigene Emotionen wird eingegangen und auch anderen Menschen bringen sie viel Güte entgegen. Sie können gut vertrauen, verzeihen und sich öffnen. Gleichzeitig fällt es ihnen aber auch nicht schwer, Grenzen zu setzen!

In der Regel führen Menschen mit einem sicheren Bindungsstil funktionale, gesunde und stabile Beziehungen, von denen ihr Leben profitiert. Sie können Nähe problemlos zulassen und fühlen sich von ihrem Partner oder ihrer Partnerin emotional aufgefangen. Was sie denken, sprechen Personen mit sicherem Bindungsstil aus und gehen Drama oder Spielchen in der Beziehung aus dem Weg. Ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung sollen laut Forschung diesem gesunden Bindungsstil angehören.

4. Desorganisierter Bindungsstil

Der vierte Bindungsstil ist unter dem Namen desorganisierter Bindungsstil bekannt. Erwachsene mit diesem Bindungstypen konnten als Kind oft keine einheitliche Bindungsstrategie herausbilden. Für sie war die Welt inklusive der darin lebenden Menschen ein bedrohlicher, angsteinflößender Ort. Sie scheinen dramatische oder emotional verletzende Erfahrungen in einer Beziehung regelrecht anzuziehen. Heftige Emotionsausbrüche und ständige Gefühlsachterbahnen belasten die Partnerschaft enorm. Der Partner oder die Partnerin stellt für den Menschen mit einem desorganisierten Bindungsstil sowohl eine Sicherheitsperson dar, mit der eine Bindung eingegangen werden sollte – gleichzeitig aber auch eine Bedrohung, die vermieden werden sollte.

Gedanken wie "Ich liebe dich, ich hasse dich" sind typisch für den desorganisierten Bindungsstil. Aus diesem Grund sind stabile, verlässliche und langanhaltende Bindungen schwierig zu halten. Ca. 10 Prozent der Menschen sollen den desorganisierten Bindungsstil aufweisen.

Kann man einen anderen Bindungsstil annehmen?

Sicher fragst du dich nun, ob du deinen Bindungsstil im Erwachsenenalter noch ändern kannst, wenn du bei dir selbst ein eher ungünstiges oder gar ungesundes Bindungsverhalten identifiziert hast. Tatsächlich kann es mit viel Arbeit und Geduld möglich sein, den eigenen Bindungsstil zu verändern. Allerdings gelingt dies am besten mit der Unterstützung von außen, zum Beispiel in Form einer Psychotherapie. Im Folgenden haben wir dir außerdem hilfreiche Tipps zum Ändern deines Bindungsstils zusammengestellt:

  1. Identifiziere dein Beziehungsmuster und denke dabei an deine Kindheit zurück. Stelle dir Fragen wie: Wie haben sich meine Mutter und Vater mir gegenüber verhalten und wie habe ich auf sie reagiert? Wer schenkte mir Halt oder Trost? Vergleiche deinen aktuellen Bindungsstil mit deinem früheren Bindungsstil.
  2. Investiere in dein Selbstwertgefühl. Schätze dich selbst und deine Gefühle wert, pflege dich und deinen Körper und schenke dir bedingungslose Selbstliebe.
  3. Trete in Kontakt mit deinen Bedürfnissen. Menschen, die unsichere Beziehungen eingehen, haben meist die tiefsten Ängste. Finde heraus, was dich in einer Beziehung sicher fühlen lässt und kommuniziere diese Erkenntnisse klar.

Von diesem Bindungsstil solltest du Abstand nehmen

Doch welcher Bindungstyp ist nun der ungesündeste Bindungstyp? Natürlich lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Allerdings wird der unsicher-vermeidende Bindungsstil oft als schwierig angesehen und Personen dieses Stils haben am häufigsten mit psychologischen Problemen zu kämpfen, die in einer direkten oder indirekten Verbindung zu ihrer Beziehung stehen.

Insgesamt kann aber festgehalten werden, dass jeder der drei unsicheren Bindungsstile (vermeidend, ambivalent und desorganisiert) häufig zu Beziehungsproblemen neigt. Als "Ideal" wird überwiegend der sichere Bindungsstil gehandelt. Vergiss aber nicht, dass sich unser Bindungsstil je nach Situation auch ändern kann. So könnte es sein, dass wir einen primären Bindungsstil aufweisen, dieser aber in einen anderen Stil übergeht, wenn wir mit einer anderen Person zusammen sind. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen mehreren Beziehungsstilen und er hängt mit der Persönlichkeit unseres Partners oder unserer Partnerin und mit unserem Sicherheitsgefühl zusammen.

Diese Bindungsstile passen nicht zusammen

Einer klammert, einer flüchtet – eine solche Konstellation kann auf Dauer nicht funktionieren. Aber welche Beziehungsstile sollten zueinander finden, und welche lieber die Finger voneinander lassen?

Wir Menschen tragen in gewisser Form einen Wiederholungszwang in uns: Rückzug und Bindungsangst ergänzen sich gerne. Bekannte Muster wie diese werden deshalb weitergeführt, bis wir sie gelöst haben. Viele Menschen sind daran gewöhnt, für die Liebe zu kämpfen oder fühlen sich zu Menschen hingezogen, die ihnen emotional nicht gerecht werden können. Aus diesem Grund paaren sich Nähe und Verlustangst so oft mit Rückzug und Vermeidung. Dieses Paradoxon verleiht solchen Beziehungen einen süchtig machenden Nervenkitzel. Unsicheren bzw. ängstlichen Bindungsstilen wird geraten, sich zunächst mit ihrem eigenen Bindungsverhalten und dessen Hintergründen auseinanderzusetzen, bevor sie eine Bindung eingehen oder sogar Kinder bekommen.

Bei sicher gebundenen Beziehungen sieht es ruhiger und gelassener aus – dieser Bindungstyp kommt ohne Drama zurecht und sollte mit einer Bindungsperson zusammen sein, die Bindung ebenfalls gesund eingehen kann und keine Angst davor hat. Sie sollten also darauf achten, einen ebenso gefestigten und sicheren Partner bzw. eine ebenso gefestigte und sichere Partnerin zu daten. Aussagen wie "Ich weiß nicht, ob ich bereit für eine feste Beziehung bin" ist für sie ein klares Alarmsignal.

Verwendete Quellen: businessinsider.de, leben-lieben-lassen.de, lexikon.stangl.eu

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