Wirf einmal einen Blick auf deine Social-Media-Accounts. Welchen Personen folgst du hier und welchen Content darfst du auf keinen Fall verpassen? Bestimmt folgst du auch einigen Influencern und Influencerinnen, über die du gefühlt jedes einzelne Detail ihres Lebens kennst. Wenn sich Farina Opoku ein neues Auto kauft, weißt du direkt Bescheid und wenn sich Caro Daur mal wieder in einen Flieger setzt, kennst du bereits ihr Reiseziel. Mit diesem Phänomen der Beziehungen zwischen Personen und Stars, Influencern, YouTubern und Co. beschäftigt sich das Phänomen der parasozialen Beziehungen. Was dahintersteckt und ob diese Form der Beziehungen wirklich gesund ist, liest du hier.
Was ist eine parasoziale Beziehung?
Sicherlich hast oder hattest du auch schon mal mindestens eine parasoziale Beziehung. Diese Form von Beziehung herrscht zwischen Personen und Prominenten, Influencern und Influencerinnen oder sogar fiktiven Charakteren. Besonders dank der Social-Media-Plattformen Instagram, TikTok und Co. können wir Menschen, die wir eigentlich gar nicht persönlich kennen, so nahe wie möglich kommen. Da Influencer und Influencerinnen auf ihren Accounts oft ihr ganzes Leben teilen, haben wir das Gefühl, alles über sie zu wissen und ihnen ganz nahe zu sein. Im Real Life haben wir aber noch kein einziges Wort mit ihnen gewechselt und sind im Grunde Fremde.
Es handelt sich hierbei um eine einseitige Beziehung, die jedoch die Illusion einer gegenseitigen Interaktion hervorruft. Vielleicht nehmen wir regelmäßig an Umfragen des Influencers oder der Influencerin teil oder schreiben eventuell sogar gelegentlich mit ihnen in den DMs. Wir haben also teilweise das Gefühl, als würden wir aktiv interagieren. Der Influencer oder die Influencerin bzw. der Promi gestaltet die Kommunikation mit seiner oder ihrer Community so, dass sich jeder einzelne Follower und jede einzelne Followerin direkt angesprochen fühlt. Am anderen Ende fühlt man sich vor seinem Smartphone persönlich adressiert und baut mehr oder weniger unwissentlich eine Beziehung mit der anderen Person hinter dem Bildschirm auf.
In der Medienpsychologie wird dieses Phänomen Parasozialität genannt. Entwickelt wurde das Konzept der parasozialen Interaktion und der parasozialen Beziehung 1956 von Horton und Wohl. Sie nahmen Bezug auf das damals neue Massenmedium Fernsehen, heute sind vor allem Social-Media-Plattformen ein Ort, an dem wir parasoziale Beziehungen führen. Parasoziale Beziehungen existieren in der Regel neben anderen sozialen Beziehungen. So wie wir auch Personen im realen Leben kennenlernen und Beziehungen mit ihnen aufbauen, können wir es aber auch online tun.
Wie entwickeln sich parasoziale Beziehungen zwischen Influencer und Follower?
Der Schlüssel zum Erfolg parasozialer Beziehungen ist Authentizität. Ist ein Influencer oder eine Influencerin besonders authentisch, wird er oder sie für uns zugänglich. Wir teilen dieselben Interessen, haben viele gemeinsame Erfahrungen und der Influencer bzw. die Influencerin kommt stets ehrlich und verlässlich rüber.
Vielleicht kennst du die Situation auch: Einer deiner Lieblingsinfluencer oder -influencerinnen testet ein neues Produkt, das aber ganz und gar nicht gut ankommt. Er oder sie teilt ganz ehrlich seine bzw. ihre Meinung und zeigt dir, warum ihm oder ihr das Produkt nicht gefällt. Du denkst dir: "Wow – diese Person will nicht nur einfach etwas an mich verkaufen, sondern vertritt tatsächlich meine Interessen. Sie will, dass ich mir keinen Unsinn kaufe und gibt mir stattdessen Empfehlungen, auf die ich mich wirklich verlassen kann“. Genau das ist das Prinzip, das Influencer und Influencerinnen so erfolgreich macht. Sie sind nahbar und geben uns das Gefühl, dass wir ihnen und ihrem Urteilsvermögen vertrauen können.
Die Social-Media-Plattformen sind wie gemacht für eine solche Art der Beziehung, denn hier verschwimmen die Grenzen zwischen Professionellem und Persönlichem. Hier zeigt man sich bei seiner Morgenroutine zu Hause im eigenen Bad, am Abend auf der Couch oder im privaten Urlaub. Follower und Followerinnen haben das Gefühl, die Person rund um die Uhr in ihrem Alltag zu begleiten. Sie sind wie ein stiller Beobachter.
Beispiel gefällig? Hier nimmt uns Influencerin Diana Kaloev mit auf ihren Milan Trip und zeigt uns, was sie erlebt hat:
Wer ist besonders anfällig für parasoziale Beziehungen?
Im Grunde können wir alle parasoziale Beziehungen führen. Doch verschiedene Studien zeigen, dass vor allem folgende Personengruppen besonders häufig parasoziale Beziehungen eingehen:
- Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl
- Introvertierte Menschen
- Teenager
- Personen, denen es an realen sozialen Beziehungen mangelt
Der Grund, warum vor allem Introvertierte und Menschen mit einem geringen Selbstwert parasoziale Beziehungen eingehen, ist folgender: Mit parasozialen Beziehungen geht ein geringeres Risiko für Zurückweisung, Ablehnung und Verlassen werden einher.
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Was passiert mit unserer Psyche in parasozialen Beziehungen?
Parasoziale Beziehungen kreieren eine Illusion von Intimität. So haben wir das Gefühl, die andere Person wirklich zu kennen, ohne ihnen jemals begegnet zu sein. Die nach außen präsentierte Persona setzen wir dann mit der Person gleich. Wir haben dann teilweise das Gefühl, als seien die Personen hinter dem Bildschirm ein wirklich wichtiger Teil unseres Lebens – vielleicht fühlt es sich sogar wie eine echte Freundschaft an.
Das Gehirn registriert beim Schauen des Contents eine soziale Interaktion und produziert Gefühle, die auch in realen zwischenmenschlichen Beziehungen ausgelöst werden. Das Hormon Oxytocin wird freigesetzt. Es ist das Bindungshormon, das uns dabei hilft, soziale Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Rein biologisch gesehen, gibt es also kaum Unterschiede zwischen realen sozialen und parasozialen Beziehungen.
Was sind die Vor- und Nachteile solcher Beziehungen?
Parasoziale Beziehung sind aus dem heutigen Leben kaum noch wegzudenken. Im Grunde sind sie nicht gefährlich und bringen einen großen Mehrwert für uns mit. Wir sehen die Persönlichkeiten hinter dem Bildschirm als Vorbild und Inspiration, können uns von ihnen viel abgucken, bekommen hilfreiche Empfehlungen wie von einem Freund oder einer Freundin und können unser Leben durch zusätzliche digitale Beziehung neben unseren realen Beziehungen bereichern.
Doch wie bei vielen Dingen gibt es auch hier eine Kehrseite der Medaille. So können parasoziale Beziehungen einen Mangel an realen sozialen Beziehungen verstärken, indem sie zum Beispiel unrealistische Erwartungen an Menschen im echten Leben fördern. Hinzu kommt, dass eine parasoziale Beziehung nie vollkommen eine echte soziale Beziehung im Real Life ersetzen kann. Wir Menschen brauchen auch die physische Nähe zu anderen Personen. Deshalb sollten parasoziale Beziehungen zu unseren liebsten Stars, Influencern und Influencerinnen, YouTubern und Co. lediglich als nices Add-on gesehen werden.
Verwendete Quellen: houseofyas.de, luckyshareman.com, kindermedienland-bw.de
