Zugegebenermaßen benutzt die Redewendung „Tabula rasa“ (machen) heute kaum noch jemand. Sie scheint einer dieser Ausdrücke zu sein, die langsam veraltet sind. Doch ab und zu läuft einem diese Redewendung noch über den Weg, sei es im Song von Freundeskreis aus dem Jahr 1998 oder ganz aktuell auch im neuen Song von Sido. Doch was bedeutet es, wenn jemand Tabula rasa macht? Wir erklären dir, was der Ausdruck übersetzt bedeutet und welchen Kontext er in der Redewendung hat.
Was bedeutet „Tabula rasa“ übersetzt?
Der Begriff „Tabula rasa“ kommt aus dem Lateinischen. „Tabula“ ist die Tafel, „rasa“ bezeichnet das Glätten oder Schaben. Laut der Übersetzung beschreibt Tabula rasa also, wie eine Tafel glatt gemacht wird – das sorgt zwar für etwas Klarheit, weil du nun ein Bild vor Augen hast, erklärt die Bedeutung der Redewendung aber trotzdem noch nicht.
Wir machen einen kurzen Exkurs zu den Römern: Dort schrieb man nämlich früher nicht auf Papier, sondern auf Wachstafeln. Papier kannte man vor ca. 2000 Jahren noch nicht und Papyrus war sehr teuer. Deshalb griffen sie zu Schreibtafeln aus Wachs, die wiederverwendet werden konnten. Waren die Wachstafeln voll beschrieben und die Notizen wurden nicht mehr benötigt, wurden sie mit einem Schaber wieder glatt gestrichen, sodass sie wieder unbeschrieben waren – ein unbeschriebenes Blatt eben. Symbolisch ist daraus die Redewendung geworden, dass man einen Neuanfang startet, weil man sich von etwas Altem löst. Tabula rasa bedeutet also, das Alte hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen.
Was ist die Bedeutung der Redewendung?
Die Redewendung „Tabula rasa machen“ lehnt an die eigentliche Herkunft des Begriffes an. Denn macht jemand Tabula rasa, wagt er einen Neuanfang und räumt mit dem Alten auf. Daher stammt übrigens auch die Redewendung „reinen Tisch machen“, auch wenn sie höchstwahrscheinlich auf einer falschen Übersetzung eines Wortes basiert. Aus „Tabula“ wurde demnach „Tisch“ und nicht „Tafel“.
„Tabula rasa“ in der Philosophie
Es gibt auch das Tabula-rasa-Konzept, das auf den Philosophen John Locke (1632-1704) zurückzuführen ist. Dieses Konzept beschreibt, dass der Mensch als unbeschriebenes Blatt zur Welt kommt, ganz ohne Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Wertvorstellungen. Erst durch seine Sozialisation durch die Mutter, den Vater und das Umfeld wird das Individuum formbar und beeinflussbar, das ist auch eine Grundannahme des Behaviorismus. In der Philosophie beschreibt „Tabula rasa“ also den ursprünglichen Zustand der Seele, die erst beim Aufwachsen mit Merkmalen, Eindrücken und Erfahrungen gebildet wird.
Klassische ethologische Arbeiten sowie die Neurowissenschaft und Kognitionspsychologie konnten jedoch bereits belegen, dass der Mensch nicht mit einem inhaltsleeren Gehirn und nicht ohne angeborenes Verhalten auf die Welt kommt und so Klarheit schaffen. Selbst Intelligenz und die Persönlichkeitsmerkmale werden teilweise vererbt. Der Begriff "Tabula rasa" in der Philosophie ist demnach überholt.
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Verwendete Quellen: geo.de, neueswort.de, spektrum.de
