Das Wichtigste in Kürze
- Unterschieden wird zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht von Menschen. Dabei kann das Geschlecht einer Person nicht nur männlich oder weiblich sein.
- Lange Zeit galt der männliche Körper als der Standard in der Medizin. Die Forschung hat den weiblichen Körper lange übersehen.
- Männer und Frauen können unterschiedlich erkranken und verschiedene Symptome zeigen. Oft bleiben bestimmte Krankheiten daher unerkannt oder werden zu spät diagnostiziert.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wichtigste in Kürze
- Das versteht man unter Gender
- Das steckt hinter der Gendermedizin
- Darum ist genderspezifische Medizin so wichtig
- Männer und Frauen haben unterschiedliche Risiken für Erkrankungen
- Männer und Frauen sind unterschiedlich krank
- Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Medikamente
- Fazit
Das versteht man unter Gender
Um nachvollziehen zu können, was hinter der Gendermedizin steckt, müssen wir erst einmal Folgendes verstehen: Es wird zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht einer Person unterschieden. In der englischen Sprache wird das Ganze etwas deutlicher. Hier bezeichnet man das soziale Geschlecht, also das Geschlecht, mit dem man sich identifiziert als "gender“. Das biologische Geschlecht, also das Geschlecht, das körperliche Merkmale wie Chromosomen, Anatomie und Hormone beschreibt, bezeichnet man im Englischen als "sex“.
Dabei ist wichtig zu sagen, dass sowohl das "gender“ als auch das "sex“ nicht binär sind. Eine Person kann biologisch gesehen nicht nur männlich oder weiblich sein. Es gibt auch Menschen, die mit beiden Geschlechtsmerkmalen geboren werden. Diese Personen bezeichnet man als intergeschlechtlich (inter*). Und auch beim sozialen Geschlecht gibt es Personen, die jenseits von männlich und weiblich sind. Sie können sich mit beiden Geschlechtern, keinem Geschlecht oder einem weiteren Geschlecht identifizieren. Man bezeichnet sie als nicht-binär oder divers. Identifiziert man sich mit dem beider Geburt zugeordneten biologischen Geschlecht, wird man als cis* bezeichnet. Es gibt aber auch Personen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht, sondern mit dem anderen Geschlecht identifizieren. Sie bezeichnet man als trans*.
Die Gendermedizin berücksichtigt sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht, denn beide können die Gesundheit eines Menschen beeinflussen. Meist bezieht sie sich aber nur auf cis-Menschen, da diese deutlich häufiger vorkommen als inter*, trans* oder diverse Personen.
Das steckt hinter der Gendermedizin
Die Gendermedizin ist eine noch sehr junge Disziplin in der Medizin. Die Diskussion über die geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Männer und Frauen im Kontext der Medizin findet erst seit den 90er-Jahren statt.
Bis vor einiger Zeit galt der männliche Körper als medizinischer Standard. Durch die Gendermedizin rücken die biologischen Unterschiede von Männern und Frauen weiter in den Vordergrund, sodass auch der weibliche Körper in den Fokus der Forschung gerät. So kann dafür gesorgt werden, dass Krankheiten bei Frauen besser diagnostiziert und behandelt werden.
Die Gendermedizin befasst sich vor allem damit, dass Männer und Frauen unterschiedliche Krankheitsanzeichen haben, verschieden auf Medikamente reagieren und unterschiedliche Risiken für bestimmte Krankheiten haben. Sie geht also von einer notwendigen Ungleichbehandlung der Geschlechter aus. Im schlimmsten Fall könne nämlich die Gleichbehandlung der Geschlechter in der Medizin tödliche Folgen haben.
Darum ist genderspezifische Medizin so wichtig
Zunächst einmal ein paar Fakten, die verdeutlichen, warum die Gendermedizin so wichtig ist:
- Frauen haben zwei X-Chromosome, Männer haben nur ein X- und ein Y-Chromosom. Während auf einem X-Chromosom mehr als 1.000 Gene liegen, passen auf ein Y-Chromosom weniger als 100. Die Folge: Männer leiden häufiger unter Erbkrankheiten, die über das X-Chromosom vererbt werden. Frauen können die Gendefekte über ihr zweites X-Chromosom ausgleichen. Gleichzeitig beeinflussen die Gene auch die Hormonausstattung von Menschen, die bei vielen Stoffwechselprozessen entscheidend sind.
- Psychische Krankheiten gelten oft als typisch weiblich. Deshalb blieben Erkrankungen wie Depressionen bei Männern häufig undiagnostiziert und unbehandelt. Das hat auch soziokulturelle Hintergründe. Mädchen dürfen weinen und ihre Emotionen zeigen und Jungs müssen stark sein und die Zähne zusammenbeißen. Die Folge: Die Suizidrate ist deutlich höher bei den Männern als bei den Frauen.
- Bevor Medikamente an Menschen getestet werden, finden zunächst Tierversuche an meist männlichen Mäusen statt. Weibliche Tiere werden in der Regel nicht getestet, da Forscher fürchten, dass der Hormonzyklus die Testergebnisse beeinflussen könnte. Medikamente können bei Frauen also anders wirken als bei Männern.
Männer und Frauen haben unterschiedliche Risiken für Erkrankungen
Männer und Frauen haben unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Erkrankungen. Diese können sowohl biologisch als auch sozial bedingt sein. So sind Frauen zum Beispiel deutlich anfälliger für Blasenentzündungen oder andere Harnwegsinfekte, da die Harnwege deutlich kürzer sind als beim Mann. Erreger, die über die Harnröhre kommen, können sich schneller über die Blase bis zu den Nieren ausbreiten.
Ein Beispiel für die sozialen Gründe von Erkrankungen ist die Krankheit Malaria. Hier überträgt eine Mücke die Krankheit. In Gebieten, wo Frauen aus religiösen oder kulturellen Gründen von Kopf bis Fuß bedeckt sind, erkranken deutlich häufiger Männer an der Krankheit, da die Mücke besser an die nackte Haut der Männer gelangt.
Männer und Frauen sind unterschiedlich krank
Die Symptome bei bestimmten Erkrankungen können sich bei Männern und Frauen unterscheiden. Das Problem: Häufig bleiben bestimmte Krankheiten vor allem bei Frauen unerkannt oder werden zu spät diagnostiziert, da die Frauen nicht die "typischen" (männlichen) Krankheitssymptome aufweisen.
Grund hierfür ist, dass der männliche Körper bis vor einiger Zeit als Standard in der Medizin angesehen wurde. Es gibt deshalb heute eine große Gender Data Gap (Datenlücke), da sich die medizinische Forschung lange nur mit dem männlichen Körper beschaffen hat.
Ein Beispiel hierfür sind Herzinfarkte. Frauen haben zwar deutlich seltener einen Herzinfarkt als Männer, doch sterben sie auch häufiger dann. Das liegt daran, dass ihre Symptome sich von denen eines Mannes unterscheiden und der Herzinfarkt dadurch oft später oder gar nicht diagnostiziert wird.
Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Medikamente
Wir alle haben zwei Arme, zwei Beine, zwei Füße und zwei Hände. Doch so ähnlich sind sich Mann und Frau biologisch gesehen gar nicht. Frauen sind tendenziell kleiner und leichter als Männer, sie haben einen schwankenden Hormonzyklus und ihre Periode und auch die Organe unterscheiden sich teilweise in ihrer Zellstruktur und Enzymzusammensetzung von denen eines Mannes. Frauen haben auch einen anderen Anteil an Fett, Muskelmasse und Wasser im Körper.
Die empfohlene Dosierung von Medikamenten ist meist an dem männlichen Körper ausgerichtet. Bei Frauen kann es bei der Therapie deshalb leichter zu einer Überdosierung kommen und das Risiko für Nebenwirkungen von Medikamenten ist deutlich höher.
Fazit
Die Gendermedizin ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter. Sie ermöglicht, dass beide Geschlechter mit ihren Besonderheiten umfangreich erforscht werden, sodass sowohl Männer als auch Frauen eine angemessene Behandlung und Therapie in der Medizin erhalten.
Im Grunde ist das Geschlecht aber nur einer von vielen Faktoren, die beeinflussen, wie ein Mensch erkrankt. Hierzu zählen auch das Alter, die Bindung, Kultur und Ethnie, der ökonomische Hintergrund und viele weitere Aspekte. Sie alle können beeinflussen, wie sich Symptome bei einer Person äußern oder wie ein Mensch behandelt wird.
Die Zukunft der Medizin sollte demnach das personalisierte Behandlungskonzept sein, das all diese Faktoren beinhaltet. Dafür muss es aber auch eine deutlich diversere Forschung geben. Die Genderforschung ist demnach Voraussetzung für eine Gleichstellung der Gesundheitsversorgung der Geschlechter.
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Verwendete Quellen: barmer.de, ikk-classic.de, muenchen-klinik.de
