
Die Faktenlage ist klar: Seit dem ersten Filmfestival in Cannes im Jahre 1946 nahmen nur 82 Filme von Frauen am Wettbewerb teil. Dem gegenüber stehen ganze 1.688 Werke von männlichen Kollegen. Eine Goldene Palme gewannen bisher nur zwei Frauen: die neuseeländische Regisseurin Jane Campion 1993 für 'Das Piano' und die französische Regisseurin Agnès Varda, die 2013 die Ehren-Palme für ihr Lebenswerk erhielt. Auch in diesem Jahr sind von den 21 Beiträgen im Wettbewerb nur drei Filme von Frauen. Die Italienerin Alice Rohrwacher geht mit 'Lazarus Felice' ins Rennen, die Libanesin Nadine Labaki mit 'Capernaum' und die Französin Eva Husson ist mit 'Les Filles du Soleil' im Wettbewerb dabei.
Protest um mehr Chancengleichheit
Ein Umstand, den sich in diesem Jahr Jury-Präsidentin Cate Blanchett zum Anlass nahm, gemeinsam mit 81 weiteren Schauspielerinnen, Autorinnen und Filmemacherinnen auf den Stufen des berühmten "Montée des Marches“ vor dem Filmpalast gegen schlechtere Bezahlung von Frauen und für mehr weibliche Stimmen in der Filmbranche zu protestieren.
Denn schon der Blick auf die blanken Zahlen beweist, wie meilenweit die Filmbranche von einer Gleichberechtigung der Geschlechter entfernt ist.
Eine Ungerechtigkeit, die seit einigen Jahren mehr und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, ist die schlechtere Bezahlung der Schauspielerinnen – bei gleicher Leistung. Ein Trend, der auch im Alltag zu beobachten ist. Erst die Debatte um Hollywood-Produzent Harvey Weinstein sorgte für einen echten Aufschrein in der Filmindustrie. In Kampagnen wie #MeToo und 'Time's Up' solidarisierten sich innerhalb kürzester Zeit weltweit tausenden Frauen und Männer, nicht nur aus der Filmindustrie. Denn sexuelle Belästigung, Nötigung und die Ausnutzung von Machtpositionen sind bei vielen Frauen, nicht nur in der Filmwelt, nahezu an der Tagesordnung.
"The Difference She Makes"
All dem Trubel gegenüber steht der parallel in Cannes laufende Nespresso Talents Award. Ein Kurzfilm-Wettbewerb junger Talente, der in diesem Jahr ganz unter dem Motto "The Difference She Makes“ steht. International fand der Preis großen anklang und die eingereichten Werke waren so unterschiedlich wie vielschichtig. Im Zentrum stand aber ganz klar eines: Die Frau - mit all ihren Facetten. Der deutsche Gewinner-Beitrag stammt, passenderweise, von einer Frau - und erzählt die Geschichte von der Last der Erwartungen und Freigeist: Eine Frau muss nicht bloß fragil und schön sein, sie kann ebenso gut eine richtig gute Automechanikerin sein.
Im Rahmen der Preisverleihung haben wir uns umgehört: Was bedeutet eigentlich "The Difference She Makes“ und wie steht es aktuell um die Thematik, besonders in der Filmbranche?
"Das Thema ist so groß, dass es auch eine gesellschaftliche Umwälzung geben wird,“ sagt die deutsche Schauspielerin und Jury-Mitglied der Nespresso Talents Odine Johne ('Die Welle') gleich zu Beginn: "Ich glaube, das Bewusstsein ist ganz anders da, es gibt viele Gespräche dazu, auch Film-intern. Mit Kolleginnen kommt man gar nicht um das Thema herum und das finde ich auch gut.“ Einzig die Aufarbeitung in den Medien sieht sie kritisch: "Für mich ist Harvey Weinstein kein 'Sex-Skandal‘ - der Mann hat Frauen belästigt und vergewaltigt. Ich wünsche mir eine differenzierte Debatte, vor allem in den Medien.“
Was kann man also tun? Schauspielerin und ebenfalls Jury-Mitglied der Nespresso Talents, Nilam Farooq, fordert endlich Lösungsansätze: "Mein Problem mit dieser Debatte ist vor allem die Art und Weise wie sie aufgearbeitet wird, ich denke, auf diese Art wird sich nichts ändern. Es wird nur darüber gesprochen was war, was ganz klar auch wichtig ist, andererseits fehlt mir ganz oft der Lösungsansatz.“ Einen Gedanken, den auch die französische Journalistin und TV-Produzentin Iris Brey teilt. Sie fordert im Rahmen des "The Difference She Makes“-Panel Talks von Nespresso endlich sichtbare Zahlen, aber auch eine andere Darstellung der Frauen im Film: "Es ist nicht nur wichtig, die Quote zu erhöhen. Viel wichtiger ist: Wie werden diese Frauen dargestellt - sprechen sie überhaupt? Schauen wir sie nur an oder schauen wir durch ihre Augen. Es geht nicht darum, Frauen nur anzuschauen, sondern mitzufühlen was Frauen durchmachen.“ Denn in einem Punkt sind sich alle drei einig: Eine 'starke Frau' zu sein bedeutet nicht bloß emotional stark zu sein, sondern auch eine Verletzlichkeit zeigen zu dürfen.
Tut sich also tatsächlich etwas in der Filmbranche? Der schweizer Regisseur Vincent Perez sieht bereits eine Wandlung: "Die Filmbranche ist bereit für eine Transformation. Wir wissen nicht, wo genau es hingeht. Natürlich ist es immer etwas schwer aus etablierten Strukturen auszubrechen.“ Einen Anfang macht der gemeinsam mit dem Luxusgüterkonzern Kering gegründete Award 'Women in Motion', der jährlich in Cannes Frauen in der Filmbranche eine Plattform gibt und die herausragende Leistungen von Frauen, sei es vor oder hinter der Kamera, würdigt. Und natürlich Nespresso Talents, der nicht nur in Cannes, sondern auch auf der Berlinale und den BAFTAs jungen Talenten die Möglichkeit gibt, seine Visionen umzusetzten - und einen Unterschied zu machen.