Warum Schönheit zur Gefahr werden kann

Wir alle streben nach Perfektion und Schönheit. Doch genau darin könnte morgen eine ernstzunehmende Gefahr liegen – so zumindest der Tenor des frisch erschienenen Romans "2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird". Fiktion oder vielleicht bald Wirklichkeit?

Frau mit Zöpfen© Freepik /©user15285612
Schönheit als Auslöser gesellschaftlicher Spannungen in einer gleichheitsorientierten Zukunft.

Makellose Haut, gesundes und kräftiges Haar, strahlende Zähne und kein Fettpölsterchen zu viel: Für viele wird Schönheit zunehmend zum Maßstab. Zugleich ist klar, dass Schönheit vielfältige Formen hat – wer äußerlich schön ist, muss es nicht innerlich sein. Und umgekehrt. Doch oberflächlich betrachtet, dreht sich in der Gesellschaft sehr viel – wenn nicht alles – um die äußerliche Schönheit. Wer schön ist, tritt meist selbstbewusster auf, hat laut Studien häufig auch mehr beruflichen und finanziellen Erfolg.

Doch schöne Frauen haben keineswegs nur Vorteile, sondern sind auch immer wieder mit Vorurteilen und Neid konfrontiert. Neid von denen, die weniger gut aussehen und Vorurteile von Männern und anderen Frauen, die einer Schönheit leicht mal unterstellen, sie sei vielleicht weniger intelligent. Zu welchen Konsequenzen solche Vorurteile und vor allem der Neid auf lange Sicht führen können, skizziert Autor Rainer Zitelmann in seinem jetzt erschienenen Roman "2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird". Die gebundene Ausgabe gibt es im Buchhandel für 22 Euro. Schon am Erscheinungstag war der Run auf das Buch so groß, dass es fast ausverkauft war und der Verlag musste am ersten Tag eine zweite Auflage nachdrucken. Vorgestellt wurde das Buch im Chinaclub Berlin von Cathy Hummels und Carina Zavline, die zusammen zwei Millionen Follower haben.

Worum geht es? In dem futuristischen Werk widmet sich der promovierte Historiker, Soziologe und mehrfache Bestsellerautor dem Kampf um Schönheit und Gleichheit. Wir schreiben das Jahr 2075: Der Kampf für Gleichheit findet 50 Jahre später ein neues Ziel. Die radikale Gerechtigkeitsbewegung, "Movement for Optical Justice" (MOVE) wendet sich gegen die ungleiche Verteilung von Schönheit. Attraktive Frauen genießen ihrer Überzeugung zufolge unverdiente Privilegien im Berufs- wie Privatleben. Das führt, auf die Spitze getrieben, zur Forderung: "Schönheit ist ungerecht." Die Meinung einer Gruppe von Spinnerinnen und Spinnern? Keineswegs. Die Bewegung gewinnt immer mehr Einfluss und kommt schließlich an die Macht. Stück für Stück verwandelt sich die Demokratie in eine Gleichheitsdiktatur.

Frau posiert vor der Kamera© Freepik /©diana.grytsku
Konflikte um Privilegien und Gerechtigkeit verändern das soziale Miteinander.

Es beginnt mit höheren Steuern und beruflichen Nachteilen. Aber schließlich setzt sich der radikale Flügel der Bewegung durch: "über-schöne" Frauen, bezeichnet als PB ("Privileged Beauty"), müssen sich einem chirurgischen Eingriff – der 'Optical Optimization Therapy' – unterziehen, der sie weniger attraktiv macht. Gleich un-schön – sieht so etwa unsere Zukunft aus?

In seinem Buch beschreibt Rainer Zitelmann individuelle Dramen und Verzweiflung, aber auch die entschiedene Gegenwehr. Die schöne Studentin Alexa und der Journalist Riven leisten Widerstand gegen die Etablierung der Diktatur. Entstanden ist eine so spannende wie aktuelle Abrechnung mit dem Gleichheitswahn, der in der Tradition steht von Romanen wie "1984" und "Brave New World". Und zugleich ein nervenaufreibender Thriller über Neid, die dunkle Seite der Schönheit und die Gefahren einer Gesellschaft, die Ungleichheit als Verbrechen begreift. Und die Liebe als dramaturgisches Element darf nicht fehlen: Heldin Alexa ist hin- und hergerissen zwischen zwei Männern, ihrem Freund Daxon und ihrem Professor Nathaniel, mit dem sie eine Affäre hat. Doch nicht nur die schönen Frauen in Zitelmanns Roman leiden, auch deren Männer.

Das zeigt dieser Auszug:

"In Firmen hatten es schöne Frauen in diesen Monaten immer schwerer – und nicht nur sie, auch die Freunde oder Ehemänner schöner Frauen. Auch für Daxon wurde das zu einem Problem. Der Partner seines Immobilienunternehmens hatte ihn zur Seite genommen und gemeint: "Daxon, du weißt ja, ich mag Alexa. Aber du weißt auch, wie die Stimmung im Moment ist. Also, es muss ja nicht sein, dass ihr die Leute von unserer MOVE-Betriebsgruppe und das Betriebskomitee provoziert, wenn ihr euch zusammen in der Öffentlichkeit zeigt. Jedenfalls sollte sie zu unserem Jahresempfang nicht mitkommen."

Daxon war perplex: "Das kann nicht dein Ernst sein. Wie soll ich das Alexa sagen? Ich meine, sie hat sowieso keine besondere Lust auf diese Jahresempfänge, weil sie diese als langweilig empfindet und die ganze Zeit nur über Immobilien gesprochen wird. Aber ich wollte immer, dass sie mitkommt, und jetzt soll ich ihr sagen, bleib diesmal zu Hause?" "Denk dir irgendwas aus, Daxon, jedenfalls sollte sie nicht dabei sein. Das Betriebskomitee für optische Gerechtigkeit hat die Losung ausgegeben: 'Keine PBs auf dem Empfang'. Ich finde das auch bescheuert. Aber die sagen, das passt einfach nicht mehr in die Zeit." 

"Das?", fragte Daxon. "Du meinst: die. Die Alexa und alle Frauen, die so aussehen wie die, die wir schon an der High School angehimmelt haben? Diese Nichtsnutze vom Betriebskomitee für optische Gerechtigkeit haben wohl nichts Besseres zu tun. Die nerven mich sowieso schon die ganze Zeit. Wäre es nicht verboten, hätte ich die längst rausgeschmissen. Wir bezahlen diese Labertypen und Gerechtigkeitsfanatiker, damit sie uns das Leben schwer machen!"

Daxon traute sich Alexa nicht zu sagen, dass sie diesmal nicht mitkommen kann, weil er fürchtete, sie würde ungehalten reagieren. Er versuchte es anders: "Weißt du, diesmal soll der Empfang im kleinen Kreis sein, und ich denke, das wird noch langweiliger als sonst, also du musst da nicht mitkommen."

Alexa war durch die Arbeit mit Riven und den täglichen Updates irgendwelcher Journalisten über neue MOVE-Forderungen oder Maßnahmen inzwischen so tief in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit, dass sie sich nichts vormachen ließ – zumal Daxon sonst immer viel Wert darauf gelegt hatte, sie dabei zu haben. "Du kapitulierst vor den neuen Realitäten? Du willst mich verstecken? Ich meine: Schämst du dich für mich? Willst du dir jetzt lieber eine hässliche Freundin suchen?"

Die letzten Worte schrie sie regelrecht heraus und fing an zu weinen. "Du weißt, wie schwierig diese Zeit für mich ist, und ich dachte, wenigstens du unterstützt mich und stehst zu mir …"

Daxon wandte sich. Genau diese Reaktion hatte er befürchtet. "Okay, dann sage ich, ich bin krank und kann auch nicht kommen. Aber zusammen, das geht einfach nicht."

"Also, ich habe da eine bessere Idee: Deine Marina ist ja in letzter Zeit ziemlich fett geworden. Wenn du die mitnimmst, hast du bestimmt keine Probleme."

Jetzt wurde Daxon sauer: "Nenn die Marina nicht fett, nur weil sie statt 52 jetzt 57 Kilo wiegt. Ich finde, sie ist immer noch sehr attraktiv."

"Wow, du bist ja exakt informiert über ihre aktuelle Gewichtsklasse. Ja, das war mir klar. Dann geh doch mit ihr! Oder geh allein! Oder bleib zu Hause – aber ohne mich. Ich habe auf so etwas keine Lust."

Alexa sprang auf, griff nach ihrer Handtasche und Jacke und war durch die Tür verschwunden, während Daxon begriff, dass er wieder mal ein Eigentor geschossen hatte.

Auf dem Weg nach Hause weinte Alexa, vor Wut, vor Enttäuschung und Verzweiflung. Sie wollte zunächst zu ihrer Freundin Zoraya, aber die war "mit ein paar Leuten" unterwegs, wie sie ihr am Telefon sagte. Wahrscheinlich mit diesem schrecklichen Varek Kallor! Alexas nächster Gedanke lautete: "Nathaniel". Sie rief ihren Professor nicht an, sondern nutzte ein Flugtaxi und stand Minuten später vor seiner Tür, tränenüberströmt …"

Buchvorstellung in Berlin© Dr. Dr. Rainer Zitelmann
Buchvorstellung vom 12. Mai im Chinaclub Berlin. Foto: Carina Zavline, Rainer Zitelmann und Cathy Hummels (v.l.n.r).