Omas altes Kuchenrezept, das Lied, das uns an unseren Ex erinnert, oder alte Familienbilder – sich an alte Zeiten zu erinnern, ist ein zweischneidiges Schwert. In manchen Momenten tut es uns gut, uns an bessere Zeiten zurückzuerinnern. Schließlich sind Ereignisse in der Rückschau meist noch schöner und teilweise sogar etwas ins Positive verzerrt. Nostalgie kann laut neuester Studien sogar für Glücksgefühle und Zufriedenheit sorgen!
In anderen Momenten hingegen kann die Erinnerung an die Vergangenheit auch eine Last sein und Nostalgie kann zu seelischen Schmerzen führen. Besonders Momente aus der Kindheit, an die wir uns ungern zurückerinnern, kommen meist lebendiger und eindrücklicher in unseren Kopf zurück. Wenn wir in Erinnerung schwelgen, tun wir dies aber oft aus eigener Motivation und wir verweilen mental für einen Augenblick in der Vergangenheit. Aber mit welchen Mitteln klappt das am besten und gibt es vielleicht sogar einen richtigen Weg, um mit Erinnerungen umzugehen? In diesem Artikel erklären wir dir alles zu dem Begriff "in Erinnerung schwelgen".
Was sind Erinnerungen eigentlich?
Erinnerungen sammeln wir jeden Tag in unserem Leben. Sowohl in unserem ganz normalen Alltag, als auch bei besonderen Anlässen wie dem Urlaub an einem Traumziel oder dem Konzert der Lieblingsband. Definiert wird unsere Erinnerung als mentales Wiedererleben früherer Erlebnisse und Erfahrungen. Erinnerungen sind in den meisten Fällen multimedial: Das bedeutet, sie enthalten bildhafte Szenen, aber auch akustische Elemente oder Gefühle.
Diese Art der mentalen Wiederbelebung von vergangenen Erfahrungen kann spontan erfolgen, indem eine Emotion, ein Gedanke oder eine Wahrnehmung durch eine Assoziation an ein früheres Erlebnis erinnert. Erinnerung ist dabei sehr subjektiv – ein Ereignis, das du für dich sehr positiv in deiner Erinnerung abgespeichert hast, kann für andere Menschen in der Rückschau mit negativen Gefühlen besetzt sein. Das Schwelgen in Erinnerung und die Nostalgie, die damit verbunden ist, haben also immer eine sehr persönliche Komponente.
Was bedeutet es, wenn man in Erinnerung schwelgt?
Mittlerweile sind wir daran gewöhnt, einmalige Ereignisse aus unserem Leben festzuhalten und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu "besuchen". Schwelgen wir in Erinnerung, fühlen wir uns beinahe so, als würden wir das Erlebte erneut erleben. Besonders dann, wenn die Erinnerung medial untermalt wird: Zum Beispiel können wir uns ein altes Fotoalbum anschauen oder ein Lied anhören, das für uns mit vielen Erinnerung besetzt ist. Die Assoziationen dazu können sowohl positiv als auch negativ sein. Auch beispielsweise ein Gespräch zwischen Großeltern und Enkelkindern über Anekdoten aus der Vergangenheit kann wunderschön und belebend sein, genau so aber alte Wunden aufreißen oder seelische Schmerzen verursachen. Wenn wir uns dafür entscheiden, in Erinnerung zu schwelgen und Nostalgie einen Raum zu geben, handelt es sich meist allerdings um positive Erlebnisse – oder solche, die wir in der Rückschau positiv bewerten.
Momente kommen und gehen – die Erinnerung aber bleibt. Wir leben in einem Zeitalter, in dem es einfacher ist denn je, Momente festzuhalten. Wir müssen nur unser Handy herausholen und ein Bild knipsen oder ein Video aufnehmen und schon ist der Moment verewigt und wir können viel einfacher in Erinnerung schwelgen, wenn wir an diesen bestimmten Moment zurückdenken. Zum Glück! Denn schon innerhalb eines Jahres sammeln sich so viele Erinnerungen an, dass unser Gehirn sie ordnen und priorisieren muss. Schauen wir uns alte Fotos an, schlagen Begriffe in einem Wörterbuch nach, hören Anekdoten von früher oder kochen alte Familienrezepte nach, helfen wir unserem Gehirn auf die Sprünge. Welche Trigger beim Schwelgen in Erinnerung helfen, liest du jetzt.
So kannst du in Erinnerung schwelgen
Um in Erinnerung zu schwelgen und mit Nostalgie an die Vergangenheit zu denken, gibt es viele Trigger. Wir empfehlen dir deshalb, immer in kleinen Dosen in Erinnerung zu schwelgen und diese Erinnerung so reflektiert wie möglich zu betrachten. Ansonsten kann es schnell passieren, dass ein eigentlich unschönes Ereignis künstlich verschönert wird. Zum Beispiel kommt es dann vor, dass du nach mehreren Jahren auf einmal voller Liebe und Wohlwollen an eine Beziehung zurückdenkst, die damals aber ungesund war und dir viele Schmerzen beschert hat.
Dass Ecken und Kanten im Laufe der Jahre in deiner Erinnerung abgerundet werden, liegt in der Natur der Sache und ist ein normaler Prozess. Damit du dich nicht in deinen Erinnerungen verlierst oder gar nur noch in der Vergangenheit (oder in der Sauregurkenzeit) lebst, raten wir dir, deine Erinnerung in einem Fotoalbum, einem Notizbuch oder einem Tagebuch festzuhalten.
Wenn du dein Gedächtnis anregen möchtest und dir Zeit nehmen möchtest, ganz bewusst in Erinnerung zu schwelgen, klappt das am besten mit bestimmten Hilfsmitteln. Nimm dir Zeit, diese anzuschauen, anzuhören oder nachzuspüren, und die Erinnerung und die Gefühle von Nostalgie werden wie von selbst kommen:
- Fotoalben
- Musik
- Filme
- Kochrezepte
- Geschmäcker
- Gerüche
- Geräusche
- Gefühle
- Souvenirs aus einem Urlaub
- Briefe
- Übersetzungen in eine Sprache, die wir früher beherrschten
- Bestimmte Worte, Begriffe oder Sprüche
- Erzählungen oder Anekdoten
- Das Treffen von bestimmten Personen
Ist es gut, in Erinnerung zu schwelgen?
Tatsächlich wurde Nostalgie lange als etwas Negatives abgetan. Doch der Soziologe Fred Davis erforschte in seinem Buch "Yearning for Yesterday: A Sociology of Nostalgia" im Jahr 1979, ob diese Auffassung überhaupt noch zeitgemäß ist. Im Zuge seiner Recherche entdeckte er die positiven Seiten der Nostalgie. Er fand etwa heraus, dass Kindheitserinnerungen oft Empfindungen wie Geborgenheit triggern. Insgesamt hielt er die sentimentale Rückschau für ein essenzielles Werkzeug, um seine eigene Identität zu schaffen und zu verfestigen.
Mittlerweile wurde in weiteren Studien entdeckt, dass nostalgische Gedanken und Gefühle sogar die Schmerztoleranz erhöhen können. Der Thalamus in unserem Gehirn übernimmt demnach die Funktion des Bindegliedes zwischen Nostalgie und Schmerz. Das Betrachten bestimmter Fotos etwa sorgte laut Forscherinnen und Forscher für weniger Aktivität in jenen Hirnarealen, die mit dem Schmerzempfinden verbunden sind - die Schmerzreaktion fällt in der Konsequenz kontrollierter aus.
Außerdem soll Nostalgie Menschen im Allgemeinen zufriedener, selbstbewusster und optimistischer werden lassen. Der Grund: Sie trägt dazu bei, dass wir unsere eigene Existenz als sinnvoll empfinden. Und trotzdem: Wenn du in Erinnerung schwelgst, solltest du immer prüfen, ob es sich bei deiner Erinnerung wirklich um die vermeintlichen guten alten Zeiten handelt, oder ob dir dein Gehirn einen Streich spielen möchte, um zum Beispiel eine traumatische Erfahrung aus der Kindheit neu abzuspeichern.
Wieso verliert man seine Erinnerung?
Dass Erinnerung selektiv sind, ist kein Geheimnis. Probiere es doch mal selbst aus: Wenn du heute viel über rote Autos nachgedacht hast, wirst du merken, dass du auf der Straße plötzlich nur noch rote Autos wahrnehmen wirst. Unsere Aufmerksamkeit gilt also nicht immer allen Dingen, die um uns herum passieren, sondern unser Gehirn kann sehr wählerisch sein – und uns sogar manchmal austricksen.
Bestimmt fragst du dich, wieso es manchmal scheint, als würden wir bestimmte Ereignisse und Erlebnisse schlicht vergessen. Momente sind plötzlich aus unserer Erinnerung gelöscht – ohne ersichtlichen Grund. Das Vergessen gilt oft als Fehlleistung des Gehirns, doch dabei ist dies ein unterschätzter Prozess, der sehr wichtig für unseren Alltag ist. Ohne das Vergessen wäre es uns nämlich gar nicht möglich, abstrakt zu denken! Es gibt tatsächlich eine Phase, in der unsere Erinnerungen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis überführt werden. Während dieser Phase der "Übersetzung" kann vereinzelt die Übertragung der Informationen eingeschränkt werden, sodass die Erinnerungen gelöscht werden.
Doch keine Sorge: Da unser Leben aus täglichen kleineren und größeren Veränderungen besteht, ist es unerlässlich für unser Gehirn, Dinge zu vergessen. Denn jeden Tag müssen wir nicht nur Neues lernen, sondern auch Gelerntes verlernen bzw. vergessen. Alles, was wir wahrnehmen – also sehen, fühlen, hören, schmecken oder riechen – müssen wir zwar kurz im Gedächtnis behalten, doch eben nur so lange, bis wir den nächsten Sinneseindruck aufnehmen müssen. Unser Gehirn arbeitet also effizient und platzsparend! Fachleute nennen diesen Vorgang auch fokussiertes Vergessen. Hierbei handelt es sich aber meist um banale Dinge wie den letzten Parkplatz, den wir beim Autofahren gefunden haben, oder ein Passwort, das wir vor vielen Jahren einmal gewählt haben. Hier wäre Nostalgie ohnehin Fehl am Platz.
Die Erinnerung an für uns wichtige Ereignisse wird wiederum aktiviert, wenn wir uns aktiv dazu entscheiden, in Erinnerung zu schwelgen – etwa mithilfe alter Fotos aus der Kindheit, Anekdoten eines Enkelkindes oder wenn wir an einem alten Parfum unserer Liebsten riechen. Unser Fazit: Lasse gerne etwas mehr Nostalgie in dein Leben!
Verwendete Quellen: stern.de, akademie-ehe-familie.de, wikipedia.de, spektrum.de
