
Trigger-Warnung: Im folgenden Artikel geht es um (sexuelle) Gewalt gegen Frauen.
Es ist nur eine hypothetische Frage. Drei einfache Wörter. Zwei Auswahlmöglichkeiten. Mann oder Bär? Diese Umfrage geht gerade auf TikTok viral und stellt Frauen vor die imaginäre Wahl: Wem würden sie lieber nachts im Wald begegnen? Die Kommentarspalten füllen sich explosionsartig mit den Antworten unzähliger Userinnen, die eine eindeutige Meinung dazu haben. Die Mehrzahl würde tatsächlich lieber einem Bären über den Weg laufen.
Was steckt dahinter?
Auslöser des Trends war eine Straßenumfrage in London im vergangenen April. Der Popkultur-Account "Screenshot HQ" teilte auf TikTok ein Video, in dem acht Frauen gefragt wurden: "Would you rather be stuck in a forest with a man or a bear?". Das Ergebnis ist eindeutig: Während lediglich eine Frau den Mann wählte, entschieden sich sieben Frauen für das Raubtier. Klar, die Umfrage ist auf keinen Fall repräsentativ, da die Anzahl der Befragten gering ist und unklar bleibt, wie viele Frauen tatsächlich befragt wurden, ohne im Video gezeigt zu werden. Dafür sprechen die Kommentare unter dem Clip eine eindeutige Sprache, die viele wachrütteln sollte.
Fakt ist: Der Bär zeigt sich eindeutig als beliebtere Wahl auf Social Media. "Niemand würde danach fragen, welche Klamotten ich bei der Bär-Attacke anhatte." oder "Wenn mich ein Bär angegriffen hätte, würden die Leute mir wenigstens glauben."Aussagen wie diese zeigen, dass es letztendlich bei dem Video um eine viel tiefere Botschaft geht. Nämlich um die Unsicherheit, die viele Frauen empfinden, wenn sie nachts unterwegs sind.
Freie Wildbahn in der Normalität
Viel zu selbstverständlich halten wir uns an einen Leitfaden verschiedener Regeln, die uns vor lauernden Gefahren schützen sollen: Lasse niemals dein Getränk aus den Augen. Halte auf dem Nachhauseweg deinen Schlüssel oder Pfefferspray griffbereit. Wechsle die Straßenseite, wenn jemand hinter dir läuft. Bleibe zur Sicherheit am Telefon mit einer Freundin, bis du daheim angekommen bist. Was vielleicht überspitzt klingen mag, gehört schlichtweg zur Realität – und leider schon Normalität – der Frauen.
Userinnen wie @frauloewenherz klären auf:
Unrealistisch? Die Zahlen sprechen für sich
Es ist eine klare Message der Frauen! Doch die Kommentare unter dem Video zeigen leider auch: Viele Männer denken, die Antwort wäre ein schlechter Scherz. "Ist das Satire oder Dummheit?", heißt es zum Beispiel. Doch wenn wir schon beim Vergleichen und Werten sind, lassen wir einfach die Fakten sprechen: Seit Beginn des Jahres bis April wurden bereits 94 Femizide dokumentiert. Blicken wir auf das letzte Jahr, wurden laut Statista deutschlandweit rund 12.200 Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen und sexuelle Übergriffe im besonders schweren Fall polizeilich erfasst.
Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass eine Vielzahl der Fälle im familiären Umfeld stattgefunden haben. Das verringert nicht die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft eine große Angst vor männlicher Gewalt herrscht. Übrigens: Anders als es in Filmen demonstriert wird, greifen in der Realität kaum Bären Menschen an. Wenn überhaupt, reagieren die Tiere nur auf Provokation. Und Nein, vermeintlich "freizügige Kleidung" zählt nicht dazu.
Es muss sich etwas ändern!
Somit verdeutlicht die so simpel scheinende "Mann oder Bär"- Frage nicht nur, wie sich Frauen aufgrund geschlechtsspezifischer Gewalt fühlen, sondern auch, dass ein Missverhältnis zwischen den Geschlechtern über das empfundenen Gewaltpotenzial der Männer herrscht. Und die Ausrede "aber nicht alle Männer ..." ist hier definitiv fehl am Platz. Denn anstatt die Schuld von sich zu weisen, sollte sich letztendlich gefragt werden, was getan werden muss, damit Frauen sich eben nicht bei der hypothetischen Frage für den Bären entscheiden. Was muss getan werden, damit sich Frauen sicher fühlen? Im Wald. Auf der Straße. Und zu Hause.
Verwendete Quelle: TikTok, Statista