
Seit Monaten kennt der Hype um Taylor Swift keine Grenzen mehr, seit die Sängerin mit ihrer Eras Tour in Deutschland Station macht, eskaliert er sogar völlig. Gestandene Frauen jubeln ihrem Idol auf der Bühne zu, teils von hysterischen Weinkrämpfen geschüttelt. Kunterbunte Plastikperlen werden in stundenlanger Feinstarbeit zu Armbändern aufgeknüpft und zuhauf um das Handgelenk getragen, dass selbst Wolfgang Petry neidisch werden könnte. Jeder Song sitzt und kann selbst nach vier Vino aus dem Plastikbecher noch souverän im Stadion mitgeträllert werden und wenn Taylor das Kommando gibt, fliegen die Hände – natürlich zu Herzen geformt – einstudiert in die Luft.
Ich verstehe es einfach nicht.
Früher war ich auch ein Fan, so ist es nicht. Mein Kinderzimmer war tapeziert mit Postern von den Backstreet Boys und der Spice Girls, ich habe mein ganzes Taschengeld gespart, um mir die neuesten Maxi CDs zu kaufen und jaaa, bis heute habe ich so manchen Songtext meiner früheren Lieblingsbands im Kopf und gebe sie bei Karaokeabenden selbstbewusst zum Besten. Auch auf Konzerte gehe ich noch immer ab und zu. Dann erfreue ich mich an dem Künstler, seiner Musik und auf ein paar Stündchen des mentalen Abschaltens – dann aber ganz ohne Tränen, Kinderschmuck und Hysterie.
Kein Swiftie zu sein, grenzt an Blasphemie
Es ist eine very unpopular opinion, ich weiß, und sich gegen Taylor Swift auszusprechen gleicht fast Blasphemie. Mit ihren gerade einmal 34 Jahren wird die ehemalige Country-Sängerin gefeiert wie vermutlich kein Künstler vor ihr. Ihre „Anhänger“ pilgern in Scharen zu ihren Auftritten, konsumieren jedes Foto, jedes Interview, jede noch so kleine News und huldigen ihr, als sei sie eine Gottheit, die die Swiftie-Erleuchtung bringt.
Zugegeben: Taylor Swift hat was drauf! Sie ist vielleicht keine Whitney Houston, aber durchaus nett anzuhören. Sie schreibt ihre Songs selber und denkt darüber nach, welche Message sie nach außen tragen möchte. Sie ist sich bewusst, dass sie für Abermillionen Fans ein Vorbild ist und geht damit verantwortungsvoll um. So etwas kann ich absolut anerkennen!
Vielleicht wäre ich doch ganz gerne ein (zumindest kleiner) Swiftie
Und jaaa, auch diesen Hype, den die Amerikanerin um sich geschaffen hat, kann ich im Grunde meines Herzens akzeptieren. Auch wenn ich vieles überzogen finde, so sehe ich auch, dass eine ganz besondere Form des Zusammenhalts unter den Swifties herrscht. Man hat sich noch nie im Leben gesehen und doch feiert man friedlich zusammen, als hätte man bereits im Sandkasten BFF-Bande geknüpft. Swifties feiern ihren Popstar, aber sie feiern auch das Leben, feiern Glitzer, Pailletten und Strass – und ganz ehrlich? Ein bisschen was von dieser (zumindest zeitweise) Sorglosigkeit würde mir auch guttun.
Geschmäcker sind verschieden und das ist ok. Ich bleibe dabei, dass Taylor Swift für mich nicht das Nonplusultra ist, bin aber völlig fein damit, dass eine Welt-Community das komplett anders sieht. Und immerhin: Ein kleines bisschen vom Taylor-Hype schwappt langsam auch zu mir rüber (meinem mittlerweile monothematischem Instagram-Feed sei Dank!). Sollte mir also ein Konzertticket zufliegen (völlig unwahrscheinlich, ich weiß), würde ich sicherlich den ein oder anderen Song mitträllern. Sicherlich würde ich mir auch ein kleines Strasssteinchen in den Augenwinkel kleben und wenn mir jemand ein selbstgebasteltes Armband in die Hand drückt – na guuuut, manche davon sind ja schon süß.
Oder um es mit Taylors Worten zu sagen: "So make the friendship bracelets, take the moment and taste it. You've got no reason to be afraid" (Für alle Nicht-Swifties unter euch: Dieses Zitat stammt aus ihrem Song "You're On Your Own, Kid" aus dem Album "Midnights". Musste ich auch googlen – shame on me!?)