Du versuchst und versuchst und versuchst, doch willst einfach nicht schwanger werden. Oder dir stehen keine Spermien zur Verfügung, weil du Single oder in einer homosexuellen Beziehung bist? Dann könnte die künstliche Befruchtung deine Chance auf eine eigene kleine Familie sein. Wir haben mit Sonja Steinert, zertifizierte Kinderwunschberaterin und Teamleiterin bei der Kinderwunsch-Plattform Fertilly, gesprochen und sie alles Wichtige rund um die assistierte Reproduktion gefragt. Hier erfährst du, was du schon immer mal über die künstliche Befruchtung wissen wolltest.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine künstliche Befruchtung?
- Für wen eignet sich die künstliche Befruchtung?
- Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um sich künstlich befruchten zu lassen?
- Welche Möglichkeiten haben Personen, die sich künstlich befruchten lassen wollen?
- Die Methoden im Überblick
- Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?
- Wie sind die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung?
- Welche Risiken birgt ein solcher Eingriff?
- Welche Kosten kommen auf einen zu?
- Fazit: Vor- und Nachteile einer künstlichen Befruchtung
Was ist eine künstliche Befruchtung?
Du hast einen Kinderwunsch, der auf natürlichem Wege einfach nicht in Erfüllung gehen will? Dann kann eine künstliche Befruchtung eine Möglichkeit sein, wie du doch noch zu einem leiblichen Kind kommen kannst. Die künstliche Befruchtung wird auch assistierte Fortpflanzung oder assistierte Reproduktion genannt. Dabei wird geholfen, dass Eizelle und Spermium leichter zueinanderfinden und miteinander verschmelzen können. Durch die medizinische Hilfe kann der bislang unerfüllte Kinderwunsch vielleicht doch noch erfüllt werden. Doch ganz so einfach, wie es zunächst klingen mag, ist das Ganze nicht. Laut informationsportal-kinderwunsch.de liegt die derzeitige „baby-take-home“ Rate bei 15 bis 20 Prozent.
Für wen eignet sich die künstliche Befruchtung?
Die Gründe, warum sich Personen oder Paare für eine künstliche Befruchtung entscheiden, sind ganz verschieden. "Heterosexuelle Paare ziehen oft dann eine künstliche Befruchtung in Betracht, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege ausbleibt. Dafür kann es sowohl beim Mann als auch bei der Frau zahlreiche Gründe geben, die individuell sehr verschieden sind. Gleichgeschlechtliche Paare oder Single-Frauen entscheiden sich oft bewusst für eine künstliche Befruchtung, um mittels einer Samenspende schwanger zu werden“, verrät uns Sonja Steinert.
- Single Frauen: In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist es aktuell kaum möglich, sich künstlich befruchten zu lassen. Meist ist eine feste Partnerschaft am besten mit Trauschein Voraussetzung. Grund hierfür sind rechtliche Grauzonen. Länder wie Dänemark sind hier sehr attraktiv, wenn du alleinstehend bist und dir ein Kind wünschst. Oder du entscheidest dich für die Selbst- oder Heiminsemination.
- Gleichgeschlechtliche Paare: Manche Kinderwunschzentren und Samenbanken in Deutschland und Österreich ermöglichen lesbischen Paaren die künstliche Befruchtung. Hier ist eine Heirat sowie ein Behandlungsvertrag meist die Voraussetzung für die Behandlung.
- Paare mit eingeschränkter Fruchtbarkeit: Bei manchen Paaren will es einfach nicht auf natürlichem Wege funktionieren. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Vielleicht ist er unfruchtbar oder ihr Körper braucht etwas Unterstützung bei der Befruchtung. Woran es auch liegt – ein individuelles Beratungsgespräch zum Thema Kinderwunsch kann euch bestimmt weiterhelfen.
Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um sich künstlich befruchten zu lassen?
Verheiratete heterosexuelle Paare haben es in Europa am einfachsten, sich künstlich befruchten zu lassen. Sonja Steinert verrät uns, was nötig ist, damit die assistierte Reproduktion erfolgen kann:
"Jede Frau über 18 kann sich grundsätzlich künstlich befruchten lassen – klare Regelungen gibt es jedoch bei Kinderwunschbehandlungen mit Samenspende oder bei Kostenbeteiligung der Krankenkassen. Für eine Behandlung mit Samenspende lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, da hier jedes Bundesland und selbst jede Klinik eigene Regelungen hat. Damit die Krankenkasse Kosten übernimmt, ist es aktuell noch erforderlich, ein heterosexuelles, verheiratetes Paar zu sein, wobei die Frau zwischen 25 und 40 Jahre alt und der Mann zwischen 25 und 50 Jahre alt sein muss. Außerdem setzen die Krankenkassen eine medizinische Notwendigkeit sowie eine positive Erfolgsprognose voraus. Hier soll es aber gemäß dem Koalitionspapier unserer derzeitigen Regierung eine zeitnahe Überarbeitung geben, die dann sowohl unverheiratete als auch gleichgeschlechtliche Paare und Single-Frauen mit einschließen soll."
Welche Möglichkeiten haben Personen, die sich künstlich befruchten lassen wollen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die künstliche Befruchtung angegangen werden kann. Abhängig ist das am Ende von der individuellen Situation der Frau bzw. des Paares, verrät uns Sonja Steinert. Faktoren wie das Alter der Frau, die Eizellreserve, die Qualität der Spermien sowie weitere medizinische Aspekte entscheiden zuletzt darunter, wie genau die assistierte Reproduktion angegangen wird.
Diese kann ohne allzu großen Aufwand minimalinvasiv durchgeführt werden oder es werden komplexe Therapien eingesetzt, um die künstliche Befruchtung möglich zu machen. Dabei kann die letztendliche Befruchtung im Körper oder außerhalb des Körpers durchgeführt werden.
Die Methoden im Überblick
Bei der künstlichen Befruchtung werden vor allem drei verschiedene Methoden unterschieden:
- Intrauterine Insemination (IUI) bzw. Samenübertragung: Wird meist dann angewendet, wenn der Mann eine zu gerne Spermienmenge oder eine mangelnde Qualität der Samen hat oder die Frau keinen (männlichen) Partner hat. Die (gespendeten) Samenzellen werden direkt mit einer Spritze oder einen Katheter in die Gebärmutter, den Gebärmutterhals oder die Eileiter gespritzt. Die Spermien müssen dann selber zur befruchtungsfähigen Eizelle finden.
- In-vitro-Fertilisation (IVF): Wird in einem Reagenzglas durchgeführt. Dabei werden der Frau befruchtungsfähige Eizellen entnommen und diese werden dann im Reagenzglas mit den (gespendeten) Samenzellen gemischt. Erfolgt eine Befruchtung und entwickeln sich die Eizellen weiter, wird ein Embryo in die Gebärmutter eingesetzt. Meist wird zuvor eine Behandlung mit Hormonen durchgeführt, damit mehrere befruchtungsfähige Eizellen gewonnen werden können.
- Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Ist ein abgewandeltes Verfahren der In-vitro-Fertilisation (IVF). Sie wird angewendet, wenn es bei der IUI oder IVF nicht zu einer Befruchtung der Eizelle aufgrund einer schlechten Samenqualität kam. Hierbei werden ebenfalls Samenzellen und Eizellen entnommen. Die Spermien werden allerdings im Reagenzglas direkt in die Eizelle injiziert. Gelingt die Befruchtung und Zellteilung, werden bis zu drei Embryonen in die Gebärmutter eingesetzt.
Während die Samenübertragung im Körper der Frau stattfindet, werden die anderen beiden Methoden außerhalb des weiblichen Körpers durchgeführt. Die intrauterine Insemination ist somit die Methode mit dem geringsten Aufwand. Hier sind aber auch die Erfolgschancen geringer als bei den beiden anderen Methoden. "Welche Option die Richtige ist, unterscheidet sich von Patient*in zu Patient*in“, so Sonja Steinert.
Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?
Der Ablauf einer künstlichen Befruchtung hängt von der gewählten Behandlungsmethode ab. Zunächst gibt es also ein umfassendes Beratungsgespräch, in dem der Arzt oder die Ärztin mit dir abklärt, welche Methode am besten für dich geeignet ist. Grob läuft das Ganze folgendem Schema ab:
Gewinnung von Samenzellen: Um die Eizelle zu befruchten, braucht es natürlich Samenzellen. Die Entnahme kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen: Masturbation, operative Entnahme aus dem Hoden oder aus dem Nebenhoden.
Hormonelle Stimulationsbehandlung: In manchen Fällen wird vor der künstlichen Befruchtung eine Hormontherapie bei der Frau durchgeführt. So wird sicher gestellt, dass es zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung genug befruchtungsfähige Eizellen im Körper der Frau gibt. Anders als im regulären Zyklus der Frau sollten hier mehr als nur eine Eizelle herangereift sein. Zunächst wird aber der Hormonspiegel untersucht. Der Arzt oder die Ärztin bestimmt dann, wie genau die Hormontherapie aussehen wird. Diese Hormonbehandlung kann zwischen 10 und 14 Tage dauern.
Eizellentnahme: Bei einer IVF oder ICSI Behandlung werden dann die Eizellen entnommen. Unter einer kurzen Narkose werden die Eizellen mit einer Punktion abgesaugt, sodass sie anschließend im Labor befruchtet werden können. "Dabei werden Ei- und Samenzellen entweder in einem Reagenzglas zusammengeführt, sodass die Befruchtung selbstständig stattfindet, oder es wird ein ausgewähltes Spermium unter dem Mikroskop in die Eizelle eingeführt. Nach drei bis fünf Tagen kann der entstandene Embryo in die Gebärmutter transferiert werden“, verrät Sonja Steinert.
Embryotransfer: Nachdem die Eizellen bei der IVF und ICSI Methode außerhalb des weiblichen Körpers befruchtet wurden, werden sie anschließend wieder eingesetzt. Das ist einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Schwangerschaft. Es dürfen nur maximal drei entwicklungsfähige Embryonen eingesetzt werden. Gibt es überzählige entwicklungsfähige Embryonen, können diese auf Wunsch eingefroren werden. Nicht-entwicklungsfähige Embryonen werden stattdessen verworfen.
Wie sind die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung?
Nun, da wir geklärt haben, wie eine solche Behandlung abläuft, stellt sich natürlich aber noch die Frage, wie wahrscheinlich es denn nun ist, am Ende auch eine erfolgreiche Schwangerschaft zu erlangen. Wir haben mal die Expertin Sonja Steinert von Fertilly gefragt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer künstlichen Befruchtung tatsächlich ein Baby entsteht, variiert stark, je nach gewählter Behandlungsart und dem Alter der Frau. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass eine Insemination eine Erfolgsaussicht von ca. 10 - 15 % pro Zyklus hat. Eine IVF- bzw. ICSI-Behandlung ist hingegen erfolgversprechender – hier lag die Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer in Deutschland 2019 bei 32,7 %.“
Nicht bei allen Frauen und Paaren hat die künstliche Befruchtung also Erfolg. Oft geht das ganze Prozedere mit einer Menge Fehlversuchen einher. Die Rückschläge bedeuten für die Frauen und Paare natürlich oft auch psychischer und körperlicher Stress. Einige bleiben aber standhaft und halten am Ende ihr Wunschkind in den Armen.
Welche Risiken birgt ein solcher Eingriff?
Wie bei jedem medizinischen Eingriff sollte man sich im Vorhinein auch mit den Risiken der Behandlung auseinandersetzen. Diese sind laut Sonja Steinert nicht besonders hoch und lagen zuletzt bei unter einem Prozent. "Das liegt daran, dass Frauen während ihrer Behandlung mittlerweile streng mittels Ultraschallkontrollen überwacht werden.“ Dennoch: Auch die psychische Belastung, die eine solche Behandlung mit sich bringen kann, sollte in Betracht gezogen werden. Die vielen möglichen Fehlversuche und Rückschläge können bei einigen Frauen und Paaren in schlimmen Fällen sogar für ein Trauma sorgen.
Welche Kosten kommen auf einen zu?
Eine künstliche Befruchtung ist nicht gerade günstig. Wie hoch die Kosten am Ende genau sind, hängt vor allem von der Art der Behandlung ab und davon, wie viele Versuche nötig sind, bis man am Ende endlich schwanger ist.
"Bei einer Insemination kann man mit Kosten zwischen 500 – 800 € je Behandlungszyklus rechnen, wobei man häufig mehrere Versuche benötigt, um eine Schwangerschaft herbeizuführen. Die Kosten für eine IVF liegen bei ca. 4.000 – 4.500 €, für eine ICSI bei ca. 5.000 – 5.500 €, wobei ein großer Teil der Kosten die Medikamente für die Hormonstimulation abdeckt. Häufig entsteht bei diesen beiden Behandlungsarten mehr als ein Embryo, sodass weitere Versuche kostengünstiger (ca. 1.000 €) mittels Kryotransfer erfolgen können“, so Sonja Steinert von Fertilly.
Die Kosten bzw. ein Teil der Kosten wird in der Regel von der Krankenkasse übernommen. Das gilt allerdings nur für heterosexuelle und verheiratete Paare, bei denen es eine medizinische Notwendigkeit für die Behandlung gibt und bei denen die Erfolgschancen gut aussehen. Bei Single-Frauen und lesbischen Paaren ist die Kostenübernahme der Krankenkassen aktuell leider noch nicht möglich. Willst du, dass sich das ändert, kannst du hier die Petition "#KiWuFürAlle – für eine faire Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen" unterzeichnen.
Fazit: Vor- und Nachteile einer künstlichen Befruchtung
Schauen wir uns noch einmal zusammenfassend an, welche Möglichkeiten eine künstliche Befruchtung bietet und welche Schwierigkeiten auf einen bei der Behandlung zukommen könnten:
Vorteile
- Ermöglicht es Paaren, die auf natürlichem Wege nicht schwanger werden können, ein Baby zu zeugen.
- Auch Single-Frauen und lesbische Paare können so eine eigene Familie gründen (dies ist jedoch in Deutschland nicht immer möglich).
- Kann ggf. minimal-invasiv, also ohne Narkose und ohne größere Risiken, durchgeführt werden.
Nachteile
- Es kommen ggf. hohe Kosten auf einen zu.
- Die gesetzlichen Regelungen erschweren es Singles und unverheirateten Paaren, sich künstlich befruchten zu lassen.
- Es sind oft mehrere Versuche nötig und auch dann sind die Erfolgschancen nicht allzu hoch. Das kann unter Umständen eine psychische Belastung für die Betroffenen sein.
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Verwendete Quellen: informationsportal-kinderwunsch.de, netdoktor.de
